Müsen, ev. Kirche

Orgel von Friedrich Ladegast (Weißenfels), 1895.


© Gabriel Isenberg, 04.08.2023
© Gabriel Isenberg, 04.08.2023

Für die 1775–78 er:baute Kirche in Müsen bei Hilchenbach war der Orgelbauer Johannes Thies aus Amöneburg beauftragt worden, eine Orgel zu bauen, der Vertrag dazu war am 8. März 1777 geschlossen wurden. Durch die Unzuverlässigkeit und Trunkenheit des Orgelbauers zog sich der Bau über drei Jahre hin – das im September 1780 fertiggestellte Werk war letztlich nicht funktionstüchtig. So musste Arnold Boos, der in Niederndorf seine Werkstatt hatte, das Werk überarbeiten. In dieser Form konnte es Ende 1780 fertiggestellt werden; die abschließende Orgelprobe fand am 8. Januar 1781 statt. Das Instrument hatte 11 Register, von denen offenbar die drei Pedalregister auch auf der Kontraoktave der Manualklaviatur gespielt werden konnten.

1841 erfolgte eine gründliche Überarbeitung mit Dispositionsänderungen durch Hermann Loos (Siegen). 1877 kam die Orgel schließlich nach Girkhausen bei Bad Berleburg, wohin sie von George Ludwig Kuhlmann übertragen wurde; dort hatte sie noch bis 1911 Bestand.

In Müsen baute Friedrich Ladegast aus Weißenfels 1877 eine neue Orgel mit 14 Registern auf zwei Manualen und Pedal, die über Altar und Kanzel aufgestellt war. Das Werk hatte mechanische Schleifladen und eine Pedalkoppel „mit besonderen Ventilen“. Beim Müsener Dorfbrand am 20. Juni 1893 wurde die Kirche stark beschädigt und die Orgel wurde ein Raub der Flammen.

Für die bereits am 15. März 1894 wieder eingeweihte Kirche wurde erneut Friedrich Ladegast zum Bau einer neuen Orgel beauftragt. Das 1895 fertiggestellte Werk erhielt nun eine 17 Register umfassende Disposition, die im Grunde der Disposition des Vorgängerinstruments von 1877 entsprach. Allerdings fand die Orgel nun mit ihrem Prospekt im neugotischen Stil ihren Standort auf der Empore an der Turmwand und wurde „nach den neuen Principien“ mit pneumatischen Kegelladen ausgestattet.

1917 mussten die Prospektpfeifen zu Kriegszwecken abgeliefert werden. Oskar Ladegast setzte im Sommer 1919 neue Zinkpfeifen ein und nahm weitere Instandsetzungsarbeiten an der Orgel vor. 1929 wurde die Orgel von der Fa. E. F. Walcker & Cie. (Ludwigsburg) gestimmt und repariert. 1930 lieferte die gleiche Firma ein elektrisches Gebläse. Von den Firmen Walcker und Faust in den 1930er und 40er Jahren vorlegte Umbauvorschläge kamen nicht zur Ausführung. Stattdessen fanden um 1960 Veränderungen statt, die aktenmäßig nicht dokumentiert sind, aber mit wenig Respekt vor der Originalsubstanz erfolgten; man kann hier die Fa. Emanuel Kemper & Sohn annehmen, die in den 1950er Jahren auch in den Nachbarkirchen tätig war. Dabei wurde Viola 8' in Quinte 2 2/3' verändert, die Mixtur neu zusammengesetzt und das Cornett nur als Terzreihe ausgeführt.

1974 fand – in einer Zeit, als das Interesse am romantischen Orgelbau gerade erst wiedererwachte – unter Aufsicht des Orgelwissenschaftlers Dr. Herman J. Busch durch die Werkstatt Johannes Klais (Bonn) eine fachgerechte Restaurierung und Rückführung auf den originalen Zustand des wertvollen Instruments statt. Damit zählt die Müsener Orgel zu den wenigen noch unverändert erhaltenen Orgeln aus der pneumatischen Epoche der Weißenfelser Werkstatt Ladegast.

Im Rahmen der Innenrenovierung der Kirche 1996/97 führte die Orgelbauwerkstatt Hans Peter Mebold in Siegen eine Sicherung und Generalüberholung der Orgel aus.

Der Spieltisch ist frontal an das Orgelgehäuse gesetzt. Die Manualladen stehen auf einer Ebene hinter dem Pfeifenprospekt; an der Rückseite ist das Pedalwerk aufgestellt – dessen Gehäuseverkleidung ragt an der linken Seite neben dem Hauptgehäuse heraus. Die Registerzüge sind im Spieltisch in einer Reihe über dem Obermanual angeordnet. Zwischen den beiden Manualen sind vier kleine Metallstifte angebracht, durch die die festen Kombinationen ein- und ausgeschaltet werden können: Die linken zwei Metallstifte sind für die Piano-Kombination, die bei eingedrücktem inneren Stift eingeschaltet ist; die rechten beiden für die Forte-Kombination, bei der ebenfalls der innenliegende Stift zum Einschalten eingedrückt werden muss; zum Ausschalten drückt man jeweils auf den außenliegenden Stift. Die Kombinationen funktionieren additiv zu den per Hand gezogenen Registern und Koppeln. Die Pedalkoppel verbindet nur das I. Manual und das Pedal, koppelt aber nicht an das II. Manual durch. Im II. Manual ist Flauto major an den Pfeifen mit „Gemshorn“ signiert, dem entspricht auch der Klang des konischen Registers. Flauto dolce ist auf Wunsch der Organisten vor Ort schwebend gestimmt.

I. MANUAL | C–f³

Bordun 16' [ab G]

Principal 8'

Principal 4'

Viola 8'

Doppelflöte 8'

Rohrflöte 4'

Octave 2'

Mixtur 3f. [2']

Cornett 2–3f. [2 2/3']

Manual Coppel

II. MANUAL | C–f³

Viola d'amore 8'

Flauto dolce 8'

Flauto major 8'

Zartflöte 4'

PEDAL | C–d¹

Violon 16'

Subbass 16'

Cello 8'

Posaune 16'

Pedal Coppel [an I, nicht durchkoppelnd]


Feste Kombinationen: Piano [= I. Viola 8', Rohrflöte 4'; II. Manual voll; P Subbass 16'], Forte [= I. und P. voll].

Calcant [außer Funktion].

Pneumatische Kegellade.

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D-57271 Hilchenbach-Müsen | Hauptstraße 84 / Ecke Kirchstraße


Quellen und Literatur: Die Orgeln der evangelisch-reformierten Kirche Müsen (Kreis Siegen). Zur Wiederindienststellung der restaurierten Ladegast-Orgel am 23. Februar 1975 ⋄ Gabriel Isenberg, „Feinheit der Arbeit, Kunst und Accuratesse hatte keinen Antheil am ganzen Werk“. Der Orgelbauer Johannes Thies und sein Orgelneubau in Müsen, in: Siegerland - Blätter des Siegerländer Heimat- und Geschichtsvereins e. V., Bd. 95 1/2018, S. 37–45 ⋄ Gabriel Isenberg, Orgellandschaft im Wandel, Phil. Diss., Dresden 2017, S. 182–18 ⋄ Eigener Befund.

 

Nr. 34 | Diese Orgel habe ich zum ersten Mal am 14.09.1997 gespielt, danach mehrfach in Konzerten etc.

© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 30.08.2023.