Wenden, St. Severinus

Orgel von Franz Breil (Dorsten), 1975, erneuert von Orgelbau Klais (Bonn), 2022/23, im Gehäuse der Orgel von Bartholomäus Boos (Koblenz), 1755.


© Gabriel Isenberg, 02.09.2023
© Gabriel Isenberg, 02.09.2023

In der um 1350 erbauten, alten St.-Severinus-Kirche in Wenden gab es bereits im 17. Jahrhundert eine Orgel, die 1683 auf Veranlassung von Pfarrer Antonius Greven umfassend erneuert und erweitert wurde. Beim roßen Dorfbrand am 19. Juli 1714 wurden Kirche und Orgel ein Raub der Flammen.

In der 1718 wiederhergestellten Kirche wurde im gleichen Jahr auch eine Orgel angeschafft, deren Erbauer in den Akten nicht dokumentiert ist. Als die Orgel im Zuge des geplanten Kirchenneubaus 1750 eingelagert wurde, führte man über alle Bestandteile ein ausführliches Verzeichnis, woraus sich die Disposition dieser Orgel mit 11 Registern rekonstruieren lässt.

Am 6. Mai 1754 schloss die Kirchengemeinde unter Pfarrer Petrus Schlösser mit dem bereits hoch betagten Orgelmacher Bartholomäus Boos zu Koblenz den Vertrag zum Bau einer neuen Orgel ab, wobei die eingelagerten Teile der alten Orgel darin wiederverwendet werden sollten. Die vereinbarte Disposition umfasste 24 Register; letztlich wurde aber eine etwas abweichende Disposition mit 27 Registern auf zwei Manualen und Pedal ausgeführt. Während der Arbeiten stürtze der 82-jährige Bartholomäus Boos am frühen Morgen des 22. August 1755 von der Leiter und verstarb; zwei Tage später wurde er unter der Orgelempore beigesetzt. Unter Leitung seines Sohnes Joseph Anton Boos wurde der Bau vollendet und im September 1755 fertiggestellt. Das prachtvolle, in der Sauerländer Orgellandschaft einzigartige Gehäuse schuf der Ottfinger Schreiner Ferdinand Stracke.

1860–66 führte Adolph Rieschick aus Brilon einen Erweiterungsumbau auf 31 Register durch, wobei er im Pedal eine mechanische Kegellade baute. Bei diesem Umbau blieben etwa 14 Register aus der Boos-Orgel erhalten. 1903 folgte ein Neubau im historischen Gehäuse durch Anton Feith (Paderborn) mit 25 Registern auf pneumatischen Kegelladen, in dem 10 Register ganz oder teilweise aus dem Vorgängerinstrument übernommen wurden.
Die heutige Orgel geht auf einen technischen Neubau von der Fa. Franz Breil (Dorsten) 1975 zurück. Dabei stammen bis auf Mixtur und Trompete im Hauptwerk und die Terz im Schwellwerk alle Register aus der Vorgängerorgel; einige gedeckte Pfeifen im Hauptwerk stammen noch von 1755, möglicherweise sogar 1718.

Im Rahmen der Kirchenrenovierung 1986–89 erfolgte eine Überholung der Orgel. Die bereits seit ungefähr 2000 geführten Überlegungen zum Umgang mit dem Instrument – ob Neubau im barocken Stil oder Renovierung der bestehenden Orgel – wurden 2018 wieder aufgegriffen und mündeten in die 2023 abgeschlossene Generalsanierung durch die Fa. Orgelbau Klais in Bonn. Neben einer gründlichen Reinigung, Schimmelsanierung, Erneuerung der Elektrik und Generalüberholung erfolgte der Bau eines neuen Spieltischs; die Aluminiumtraktur wurde durch eine Holz-Abstrakten-Traktur ersetzt, zwei neue Register (Nasat und Oboe) kamen auf bislang leeren Schleifen hinzu, die beiden 2'-Register wurden zwischen den Manualen getauscht, ein Zimbelstern wurde eingebaut, und zu guter Letzt erfolgte eine Neuintonation des gesamten Orgelwerks unter Leitung von Bernd Althaus, der seinerzeit als Mitarbeiter der Fa. Breil auch schon die erste Intonation vorgenommen hatte. Die Wiedereinweihung der renovierten Orgel erfolgte am 3. September 2023.

Das Brustwerk befindet sich im prospektlosen Untergehäuse, das mit Gitterwerk verdeckt ist (die 1975 angebrachten Schiebejalousien zur Schwellwirkung wurden bereits um 2010 entfernt). Auf Höhe des Pfeifenprospekts steht die Hauptwerkslade und in einem separaten Gehäuse dahinter das Pedalwerk. Der Spieltisch steht frei vor der Orgel, die Registerschaltung erfolgt über Wippen, die in einer Reihe über der Klaviatur des II. Manuals liegen. Die moderne Setzeranlage ist über Druckknöpfe in der Leiste unter dem I. Manual sowie Sequenzerschalter an mehreren Stellen im Spieltisch zu bedienen.

I. HAUPTWERK | C–g³
Bordun 16'
Prinzipal 8'
Gamba 8'
Gedackt 8'
Oktave 4'
Hohlflöte 4'
Nasat 2 2/3' [2023]
Octave 2'
Kornett 3–4f.
Mixtur 4–6f. 1 1/3'
Trompete 8'
Koppel II–I

II. BRUSTWERK | C–g³
Liebl. Gedackt 8'
Dolce 8'
Prinzipal 4'
Rohrflöte 4'
Waldflöte 2'
Terz 1 3/5'
Quinte 1 1/3'
Scharff 4f.
Oboe 8' [2023]
Krummhorn 8'
Tremulant

PEDAL | C–f¹
Prinzipal 16'
Subbass 16'
Oktavbass 8'
Pommer 8'
Choralbass 4'
Mixtur 4f.
Posaune 16'
Koppel II–P
Koppel I–P


Zimbelstern [2023].

Elektronische Setzeranlage mit Sequenzern.

Schleiflade mit mechanischer Spieltraktur und elektrischer Registertraktur.

Bilder vor der Renovierung 2023:

Die Orgel seit 2023:

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D-57482 Wenden | Am Kirchplatz (Hauptstraße 86)


Quellen und Literatur: Rudolf Reuter, Historische Orgeln im Kreis Olpe, Münster 1982, S. 86 ⋄ Hannalore Reuter, Historische Orgeln in Westfalen-Lippe, Münster 2006, S. 342 f ⋄ Gabriel Isenberg, Die Orgel von Bartholomäus Boos in der St.-Severinus-Kirche zu Wenden im Sauerland, in: Ars Organi (Internationale Zeitschrift für das Orgelwesen) 64 3/2016, S. 177–180 ⋄ Gabriel Isenberg, Orgellandschaft im Wandel, Phil. Diss., Dresden 2017, S. 148–151 ⋄ www.orgel-wenden.de [2023] ⋄ Eigener Befund.

 

Nr. 79 | Diese Orgel habe ich zum ersten Mal am 18.11.1999 besucht und danach mehrfach bei Gottesdiensten und Konzerten gespielt.

© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 02.09.2023.