Bremen, Unser Lieben Frauen

Orgel von Paul Ott (Göttingen), 1953/64.


© Gabriel Isenberg, 18.11.2011
© Gabriel Isenberg, 18.11.2011

Die Liebfrauenkirche am Bremer Markt ist nach dem Dom die älteste Kirche der Stadt. Mit der Nennung der Organisten Hermann (1487) und Conrad dem Blinden (1497–1524) ist schon in vorreformatorischer Zeit die Existenz einer Orgel belegt. Nach der Reformation stellten Cornelis und Michael Slegel aus Zwolle 1569 die 1561 erworbene, ehemalige Orgel aus dem „Schwarzen Kloster“ (dem aufgelösten St.-Katharinen-Kloster der Dominikaner) in umgebauter Form in Unser Lieben Frauen auf; das 7 Register umfassende Vorgängerinstrument wurde im Juni 1569 abgebaut und in die St.-Andreas-Kirche Hildesheim versetzt.

Der 1634 mit einem repräsentativen Neubau beauftragte Orgelbauer Johann Sieburg, der aus Göttingen stammte und sich 1624 in Bremen niedergelassen hatte, brauchte sieben Jahre bis zur Fertigstellung des Werks. Bei der Abnahme 1641 stellten die beiden Hamburger Organisten Jakob Praetorius und Heinrich Scheidemann viele bauliche und klangliche Mängel fest; außerdem übten sie Kritik an der verwendeten Stimmung. 1698 bis 1700 führte Arp Schnitger eine Erweiterung der Sieburg-Orgel durch, die nun 40 Register und drei Manuale umfasste; die Disposition wurde 1721 von Johann Mattheson aufgezeichnet. Weitere Reparaturen sind u. a. durch Arp Schnitger (1706), Erasmus Bielefeld (1733/34) und Heinrich Wilhelm Eckman (1758) belegt. Ein durchgreifender Umbau erfolgte 1826–28 durch Otto Biesterfeld (Bremen).

Die Barockorgel wurde schließlich 1873/74 durch einen Neubau der Orgelbauer „J. F. Schulzes Söhne“ (Paulinzella) ersetzt, der erneut 40 Register auf drei Manualen und Pedal umfasste. Die Schulze-Orgel hatte allerdings nur kurz Bestand, denn im Zuge der Neugestaltung der Kirche baute die Fa. Furtwängler & Hammer (Hannover) 1897 eine neue Orgel im neugotischen Stil, bei der das Pfeifenmaterial der Schulze-Orgel Wiederverwendung fand. Eine erhebliche Erweiterung erfolgte 1930 durch die Fa. G. F. Steinmeyer & Co. (Oettingen), bei der das Instrument auf 68 Register auf vier Manualen und Pedal erweitert wurde. Diese Orgel fiel den Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg 1944 zum Opfer.

Unmittelbar nach der Wiederherstellung der Kirche nahm man den Bau einer neuen Orgel in Angriff – seinerzeit der erste große Orgelneubau in Bremen nach dem Krieg. Den Auftrag erhielt die Fa. Paul Ott in Göttingen, die 1953 nach den Enwürfen von Kantor Harald Wolff und Christhard Mahrenholz ein Werk mit 39 Registern ausführte. Das mit einem Prospektentwurf von Dipl.-Ing. Ernst August Steinbrink (Bremen) realisierte Instrument stand an der Westwand des Mittelschiffs vor dem damals noch zugemauerten Turmjoch.

Im Rahmen der ab 1959 durchgeführten Neugestaltung des Kirchenraums durch Prof. Dieter Oesterlen (Hannover) musste auch die Orgel einen neuen Platz finden, um den Blick auf das nun wieder freigelegte Rosettenfenster zu ermöglichen. Nach kontroversen Diskussionen wurde die Westwand des südlichen Seitenschiffs als neuer Standort bestimmt, wo die Orgel 1964 in einem neuen Gehäuse Aufstellung fand. Dabei wurde die horizontale Trompete im Hauptwerk ergänzt und der Prospekt in Zinn neu gefertigt. Weitere Dispositionsänderungen waren die Trompete 16' anstelle von Trompete 8' und im Rückpositiv Sesquialtera 2f. statt Nasat 2 2/3' sowie Octave 1' statt Octave 2'. 1969 wurde das Brustwerk mit Jalousietüren versehen.

Bei einer Generalüberholung durch die Fa. Karl Schuke (Berlin) erfolgten 1984 weitere kleinere Dispositionsänderungen (im Rückpositiv Dulcian 8' statt 16', im Hauptwerk Nasat statt Rauschquinte 2 2/3') sowie die grundlegende Überarbeitung der Zungenregister. Auf etwas erhöhtem Winddruck wurde die Orgel neu intoniert.

Die Ott-Orgel der Liebfrauenkirche ist ein typisches „Kind ihrer Zeit“, seit längerem gibt es Überlegungen zur Veränderung der Orgelsituation. Sie wird seit 2003 regelmäßig auch konzertant in der wöchentlich stattfindenden Konzertreihe „Orgelpunkt“ gespielt.

I. RÜCKPOSITIV | C–f³

Holzpfeife 8'

Quintadena 8'

Principal 4'

Rohrflöte 4'

Sesquialtera 2f.

Waldflöte 2'

Octave 1'

Scharff 4-5f.

Dulcian 8'

Tremulant

Cymbelstern

II. HAUPTWERK | C–f³

Quintadena 16'

Principal 8'

Hohlflöte 8'

Octave 4'

Spitzflöte 4'

Nasat 2 2/3'

Octave 2'

Mixtur 6-8f.

Trompete 16'

Span. Trompete 8'

Trompete 4'

Koppel III–II

Koppel I–II

III. BRUSTWERK | C–f³

Gedackt 8'

Principal 4'

Blockflöte 4'

Gemshorn 2'

Terz 1 3/5'

Quinte 1 1/3'

Cymbel 3-4f.

Vox humana 8'

Tremulant

PEDAL | C–f¹

Principal 16'

Subbaß 16'

Octave 8'

Gedacktpommer 8'

Octave 4'

Holzflöte 4'

Nachthorn 2'

Rauschpfeife 2f.

Mixtur 10f.

Posaune 16'

Trompete 8'

Schalmey 4'

Koppel II–P

Koppel I–P


Mechanische Schleiflade.

Inhalte von Google Maps werden aufgrund deiner aktuellen Cookie-Einstellungen nicht angezeigt. Klicke auf die Cookie-Richtlinie (Funktionell), um den Cookie-Richtlinien von Google Maps zuzustimmen und den Inhalt anzusehen. Mehr dazu erfährst du in der Google Maps Datenschutzerklärung.

D-28195 Bremen | Unser Lieben Frauen Kirchhof 27–29


Quellen und Literatur: Uwe Pape, Die Orgeln der Liebfrauenkirche zu Bremen, in: Acta organologica 3 (1969), S. 88–99 ⋄ Uwe Pape / Winfried Topp, Orgeln und Orgelbauer in Bremen, Berlin 2003, S. 189–213 ⋄ Eigener Befund.

 

Nr. 411 | Diese Orgel habe ich zum ersten Mal am 05.07.2011 gespielt, danach mehrfach im Rahmen der Konzertreihe „Orgelpunkt“.

© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 10.08.2023.