Ringelheim, ehem. Klosterkirche St. Abdon und Sennen

Orgel von Andreas Schweimb (Einbeck), 1696.

Erweitert durch Johann Jacob John (Einbeck), 1707, und einen unbekannten Orgelbauer um 1750.

Restauriert durch Gebr. Hillebrand (Altwarmbüchen), 1974/75.


© Gabriel Isenberg, 11.10.2011
© Gabriel Isenberg, 11.10.2011

Die romanische Kirche St. Abdon und Sennen in Salzgitter-Ringelheim war 1153 bis zur Säkularisierung 1803 Klosterkirche des Ringelheimer Benediktinerklosters. Im Laufe ihrer Geschichte fanden mehrfach Erweiterungen und Umbauten statt. Nachdem das Kloster im Zuge der Reformation zwischenzeitlich verwaist war und die Gebäude verwahrlosten, erfolgte in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts – nach dem Dreißigjährigen Krieg – die Wiederbelebung des klösterlichen Lebens. Nach der Erhöhung des Langhauses und des Chores im Jahr 1694 wurde die Kirche auch mit einer neuen Orgel ausgestattet, die über mehrere Jahrzehnte in mehreren Bauschichten entstand. Schriftlich dokumentiert wurde sie erstmals 1738 in der „Organographia Hildesiensis specialis“ des Hildesheimer Organisten Johann Hermann Biermann. Aufgrund verschiedener Anhaltspunkte, unter anderem einer Pfeifeninschrift der Rohrflöte 8' und deutlichen baulichen Ähnlichkeiten mit der Orgel in Lampsringe schrieb der Orgelforscher Cor Edskes (1925–2015) die Orgel in ihrem Kernbestand dem Einbecker Orgelbaumeister Andreas Scheimb zu. Das Instrument von 1696 umfasste im Manual und im Pedal in einem einheitlichen Gehäuse, dessen Unterteil durch die Pedalaufstellung ebenso breit war wie das Oberteil, 18 Register auf doppelten Springladen.

Am 13. Februar 1701 verstarb Andreas Schweimb und Johann Jacob John übernahm seine Werkstatt. Ihm ist auch die (einer Inschrift in der Vox humana zufolge) wohl 1707 erfolgte Erweiterung der Orgel um das Rückpositiv zuzuschreiben, das Schleifladen erhielt und dessen Registerzüge an der Rückseite des Rückpositivgehäuses angebracht waren. Die seitlich aufgestellten, massiven Pedaltürme mit dem Prinzipal 16' im Prospekt kamen schließlich Mitte des 18. Jahrhunderts hinzu – möglicherweise eine Arbeit, die man dem Orgelbauer Franz-Wilhelm Naumann zuschreiben kann. Die Registerzüge für die in den Türmen aufgestellten Register Prinzipal 16', Quinte 10 2/3' und Violon 16' waren doppelt angelegt, getrennt für C- und Cis-Seite.

Im Rahmen einer klassizistischen Umgestaltung des Kirchenraums erhielt die Orgel 1796 eine neue Farbgebung. Im Laufe des 19. Jahrhunderts erfolgten zahlreiche Reparaturen, bei denen teilweise auch gravierende Änderungen am Bestand vorgenommen wurden. An der Orgel arbeiteten u. a. 1822 Josef Friederici (Hildesheim), um 1856 Georg Stahlhuth (Hildesheim) und 1865 Georg Beust (Goslar). Eduard Meyer (Hannover) ersetzte bei einem weiteren Umbau 1869 u. a. die ursprüngliche Hauptwerkslade durch eine neue Schleiflade und baute das Register Vox humana im Hauptwerk aus. Den massivsten Eingriff in das Pfeifenwerk musste die Orgel 1958/59 durch eine „Renovierung“ der Fa. Otto Dutkowski aus Braunschweig erleiden. Etliche originale Register wurden durch moderne Fabrikpfeifen ersetzt, andere Pfeifen stark bearbeitet – unter anderem, um die dem nun herabgesetzten Winddruck anzupassen.

Eine umfassende Restaurierung nach historischen Maßstäben erfolgte 1974/75 durch die Orgelbauwerkstatt Gebr. Hillebrand in Altwarmbüchen. Dabei strebte man eine Rückführung auf den Bestand des 18. Jahrhunderts an. Nicht mehr originale Register wurden ergänzt und die Traktur neu angelegt. Außerdem erfolgte eine Neuintonation im Sinne einer Rückführung auf den Originalzustand. Das Gehäuse wurde durch die Fa. Ochsenfarth (Paderborn) restauriert und auf die Farbgebung von vor 1796 zurückgeführt. 1994 wurde die aus dem Jahr 1707 stammende, originale Vox Humana von John, die jahrzehntelang als verschollen galt und seit 1935 unerkannt (bzw. dem Hamburger Orgelbauer Hans Scherer zugeschrieben) bei Orgelbau Klais (Bonn) lagerte, durch die Fa. Hillebrand wieder in die Orgel eingebaut. Die Arbeiten wurden von Orgelwissenschaftler Cor Edskes detailliert dokumentiert und begleitet.

2014 fand eine Reinigung und Generalüberholung der Orgel durch die Fa. Hillebrand statt.

Die Ringelheimer Orgel ist ein herausragendes Dokument des Barockorgelbaus im südniedersächsischen Raum. Der heutige Registerbestand umfasst noch 13 Register von Schweimb, 9 Register gehen auf John zurück und 10 Register wurden ganz oder teilweise von Hillebrand rekonstruiert. Seit 1989 finden jedes Jahr an vier Sonntagen im Mai die Ringelheimer Orgeltage mit international renommierten Organisten statt.

I. RÜCKPOSITIV | CD–c³

Prinzipal 4'

Gedackt 8'

Spitzflöte 4'

Quinte 3'

Oktave 2'

Sesquialtera [2f.]

Quinte 1 1/3'

Scharf 4f.

Dulzian 8' [Oboe]

Regal 8' [Krummhorn]

Tremulant

II. HAUPTWERK | CD–c³

Prinzipal 8'

Quintadena 16'

Gamba 8'

Rohrflöte 8'

Oktave 4'

Flöte 4'

Quinte 3'

Oktave 2'

Mixtur 5f.

Trompete 8'

Voxhumana 8'

Tremulant

RP. - HW.

PEDAL | CD–d¹

Prinzipal 16'

Violon 16'

Subbaß 16'

Quinte 10 2/3'

Oktave 8'

Oktave 4'

Nachthorn 2'

Mixtur 4f.

Posaune 16'

Trompete 8'

Cornett 2'

HW / Ped.

RP. - Ped.


Zwei Zimbelsterne.

Doppelte Springlade im Pedal, Schleiflade im Rückpositiv und Hauptwerk, mechanische Spiel- und Registertraktur.

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D-38259 Salzgitter-Ringelheim | Gutshof 4


Quellen und Literatur: Sebastian Wamsiedler, Die Orgel der ehemaligen Klosterkirche St. Abdon und Sennen zu Salzgitter-Ringelheim, [o. J.] ⋄ Harald Vogel / Günther Lade / Nicola Borger-Keweloh, Orgeln in Niedersachsen, Bremen 1997, S. 148 ff ⋄ Gerhard Aumüller, Vox humana – Menschenstimme. Ein besonderes Register in westfälischen Barockorgeln, in: Kreis Höxter Jahrbuch 2022, Holzminden 2021, S. 94–101 ⋄ Eigener Befund.

 

Nr. 425 | Diese Orgel habe ich am 11.10.2011 besucht.

© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 06.10.2023.