Weingarten, Basilika St. Martin und Oswald

Chororgel

Chororgel von Albert Reiser (Biberach), 1937, im Gehäuse von 1743.


Bildersammlung Gabriel Isenberg (Bildquelle unbekannt)
Bildersammlung Gabriel Isenberg (Bildquelle unbekannt)

Auf dem Martinsberg über der Stadt Weingarten liegt „Schwäbisch St. Peter“, Deutschlands größte Barockbasilika. Weltruhm erlangt hat die große Gabler-Orgel auf der Westempore der Basilika. Sie wurde innerhalb von 13 Jahren von 1737 bis 1750 von dem damals noch jungen Orgelbauer Joseph Gabler, in Ochsenhausen geboren, errichtet. Viele Sagen ranken sich um den Bau der Orgel. Die Orgel erfuhr in den folgenden Jahrhunderten nur wenige Veränderungen, ist bis heute, vorbildlich restauriert, vorhanden und zählt zu den bedeutendsten historischen Orgeln Europas.

Weniger bekannt ist die Chororgel, die Joseph Gabler in das von Joseph Anton Feuchtmayer geschaffene Chorgestühl integrierte. Als die Basilika nach neunjähriger Bauzeit am 10. September 1724 eingeweiht wurde, stand im Chorraum bereits eine kleine Orgel, die Abt Sebastian Hyller von den aus Baar im Kanton Chur stammenden Orgelbauern Joseph und Viktor Ferdinand Bossart hatte bauen lassen. Das Instrument war einmanualig und hatte laut Vertrag von 1722 14 klingende Register, 12 im Manual und 2 im Pedal, mit insgesamt 990 Pfeifen. In der Mitte des Chores plaziert, mussten die größten Pfeifen liegend angeordnet werden, um die Sicht auf den Choraltar nicht zu behindern.

Bereits 1730 war die Chororgel reparaturbedürftig geworden, sie galt als „verfault“ und „verderbt“. Daraufhin berief der frisch gewählte Abt Alphons Jobst den jungen Orgelmacher Joseph Gabler, der gerade an der großen Orgel in Ochsenhausen arbeitete, zu einer Begutachtung der Chororgel. Joseph Gabler erhielt den Auftrag zur Reparatur der Chororgel. Er konnte den Weingartener Konvent dermaßen von seinen fachlichen Qualitäten als Orgelbauer überzeugen, dass er 1737 den Auftrag zum Bau der Hauptorgel und zum Neubau der Chororgel erhielt. 1743 war Gabler mit der Chororgel fertig, wofür er 666 Gulden erhielt. Sie hatte 22 Stimmen mit 2222 Pfeifen. Das Gehäuse, über dem Chorgestühl aufgestellt, wurde unter Leitung von Simon Feuchtmayer aus Salem vom Klostertischler Joseph Koch angefertigt.

Kleinere Reparaturen in den folgenden 150 Jahren beließen die Orgel weitgehend in ihrer Originalgestalt (1867 durch Wilhelm Blessing, 1881 durch Johann Baptist Schefold, 1885–90 regelmäßige Wartung durch Gebr. Link). Doch nach der Wende zum 20. Jahrhundert wurde die Orgel innerhalb weniger Jahrzehnte so tiefgreifend umgebaut, dass heute nur noch ein verschwindend geringer Teil der Register von Gabler erhalten ist:

Der Orgelbauer Julis Schwarzbauer (Mindelheim) baute 1900 eine neue Chorogel unter Verwendung des alten Pfeifenwerks sowie des Gehäuses, das bis heute erhalten ist. Kurz nach der Wiedererrichtung des Benediktinerklosters erstellte die Firma Gebr. Späth (Ennetach) 1923/24 eine quasi neue Chororgel mit zwei Manualen und 36 Registern unter Verwendung alter Teile. Auf Betreiben von Pater Winfried Ellerhorst entfernte Albert Reiser (Biberach) 1932 etliche Register und baute dafür sieben neue ein. Nur wenige Jahre später, 1934–37, baute Reiser nach den Plänen Ellerhorsts eine fast komplett neue Chororgel mit 46 Registern auf drei Manualen und Pedal. Von der bisherigen Orgel wurden außer dem Hauptbalg, den Windladen und dem Gehäuse nur wenige Register übernommen.

Auf Veranlassung von Pater Gregor Klaus wurde vor 1966 eine neue Großmixtur als weiteres Register eingebaut. 1968 und 1980 reparierte die Erbauerfirma Reiser die Orgel. 2012 wurde eine erneute Restaurierung durch die Fa. Freiburger Orgelbau (March-Hugstetten) abgeschlossen.

Die Windladen gehen auf die Arbeiten von Schwarzbaur 1900 und Späth 1923 zurück, der Großteil des Pfeifenwerks stammt von Reiser 1934/37. Allerdings sind auch noch vier historische Register von Joseph Gabler erhalten, die bei der Restaurierung 2012 in ihrer ursprünglichen Form rekonstruiert wurden. Dazu zählt vor allem der 15fache Choralbass auf den historischen Prospektladen, dessen originale Zusammensetzung wiederhergestellt wurde. Die weiteren Register von Gabler sind Hohlflöte 8' und Quintade 8' im Hauptwerk sowie der Prinzipalbaß 16' im Pedal.

Der 2012 überholte und mit modernen Spielhilfen ausgestattete Spieltisch mit der für die 1930er-Jahre typisch geschwungenen Registerstaffel ist in die rechte Seite des Chorgestühls integriert.

I. HAUPTWERK | C–a³

Großprinzipal 16'
Prinzipal 8'
Weidenflöte 8'

Hohlflöte 8' [Gabler]

Quintade 8' [Gabler]
Prästant 4'
Kleinflöte 4'

Quinte 2 2/3' [2012]
Oberoktave 2'
Kornett 3–5f. 8'
Mixtur 4f. 2'

Trompete 8' [2012]

Bärpfeife 8'
Koppel II–I
Koppel III–I

II. SCHWELLW. | C–a³

Bourdon 16' [2012]

Geigend Prinzipal 8'
Violadigamba 8' [1900]

Fernflöte 8'

Nachthorngedackt 8'
Schweizerflöte 8'
Oktave 4'
Blockflöte 4'
Nassat 2 2/3' [ab cº]
Rohrflöte 2'
Mixtur 3-4f. 1 1/3' [2012]

Dulcian 16'
Trompete 8'
Klarine 4'
Tremulant
Koppel III–II

III. SCHWELLW. | C–a³

Hornprinzipal 8'

Gemshorn 8'

Lieblich Gedackt 8'
Nachthorn 4'
Musikgedackt 4'
Waldflöte 2'
Terz 1 3/5'
Oberquinte 1 1/3'
Nachthörnlein 1'
Kalomela 3f. 2/5'
Rankett 16'

Oboe 8' [2012]

Krummhorn 8'
Harfenregal 8'
Tremulant [für III und I]

PEDAL | C–f¹

Prinzipalbass 16' [Gabler]
Subbass 16'
Octavbass 8'
Gemshornbass 8'
Choralbaß 10–15f. 4' [Gabl.]

Oberoktavbass 4' [2012]
Flötbaß 2' [alt]
Posaunenbass 16'
Trompetenbass 8'
Regalbass 2'
Koppel III–P 4'
Koppel P 4'
Koppel I–P
Koppel II–P
Koppel III–P


2 Freie Kombinationen, Registercrescendo, Setzer.

Elektrische Kegellade.

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D-88250 Weingarten, Kirchplatz 7


Quellen und Literatur: Wolfgang Manecke u. a., Historische Orgeln in Oberschwaben. Der Landkreis Ravensburg, Lindenberg 2006, S. 133-137 ⋄ Eigener Befund [Stand 1997] ⋄ Freiburger Orgelbau.

 

Nr. 32 | Diese Orgel habe ich am 22.07.1997 gespielt.

© Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 12.02.2023.