Orgel von Pereboom & Leijser (Maastricht), 1857.
Bereits in der ersten Kapelle an der Stelle der heutigen Sint-Jans-Kirche im belgischen Tongeren gab es im 15. Jahrhundert eine Orgel, über deren Beschaffenheit wir aber nichts Genaueres wissen.
Für die 1752 im klassizistischen Stil an den von 1615 stammenden Turm angebaute neue Kirche schaffte man 1760 ein gebrauchtes Instrument an. Während der französischen Zeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Kirche dem kirchlichen Gebrauch entzogen. Als sie schließlich 1836 als Pfarrkirche wiedereingeweiht wurde, beurteilte man die noch vorhandene Orgel als veraltet.
Im Zuge weiterer Renovierungsarbeiten erhoelt die Kirche schließlich 1857 die heute bestehende Orgel: ein Werk der Maastrichter Werkstatt Pereboom & Leijser. Willem Gielen aus Tongeren
entwarf das Gehäuse mit dem schwellbaren Kronpositiv und dem an der rechten Seite in den Orgelfuß eingebauten Spieltisch. Die Konstruktion des Schwellkastens ist einzigartig: Sie besteht aus sehr
vielen kleinen Klappen, die durch einen einzuhakenden Tritt bedient werden. Ein stufenloses Crescendo ist daher kaum zu realisieren.
Die Erbauerfirma Pereboom & Leijser reinigte und reparierte die Orgel 1871, wobei wahrscheinlich auch der Tremulant für das Positif eingebaut wurde. Bis 1894 blieb die Orgel bei Pereboom
& Leijser in Pflege, in den nachfolgenden Jahren wurden einige kleinere Veränderungen durchgeführt. In diese Zeit fallen vermutlich auch eine Veränderung der Stimmtonhöhe sowie die Entfernung
der Voix humaine, einiger Trompeten-Becher und etlicher Fourniture-Pfeifen.
1998 führte die Werkstatt Filip Nijs & Zonen (Nieuwekerken) mit ihrem Intonateur Marc Nagels und unter Beratung von Michael Lemmens eine Restaurierung der Orgel durch. Dabei wurden Gehäuse, Windversorgung und Regierwerk wiederhergestellt. Auch die verlorengegangenen Pfeifen wurden ergänzt, als Vorbild für die Voix humaine diente in Ermangelung eines Vorbilds von Pereboom & Leijser das entsprechende Register der Merklin-&-Schütze-Orgel in der Abteikirche Herverlee (1853). Nachdem die Orgel bei Restaurierungsarbeiten in der Kirche schwer beschädigt worden war, musste die Firma Filip Nijs & Zonen die Orgel ein zweites Mal restaurieren. Die Arbeiten, bei denen Teile der Mechanik komplett neu angefertigt werden mussten, wurden 2005 abgeschlossen.
Die Registerzüge sind in der Spielanlage rings um das Notenpult angeordnet: Links sind die Koppelzüge, rechts die Pedalregisterzüge angebracht; die Manualregisterzüge liegen in zwei Reihen (oben Grand Orgue, unten Positif) über dem Notenpult. Das Tremolo, das seit 1998 wieder für beide Manuale gilt (wie auch ursprünglich 1857), ist über einen Hakentritt einzuschalten. Der metallene Hakentritt für die Schwellerjalousien ragt rechts neben der Pedalklaviatur aus dem Gehäuse. Die Teilung der Bass/Diskant-Register liegt bei c¹/cis¹.
I. POSITIF | C–g³
(schwellbar)
Bourdon 8'
Salicional 8' [ab c°]
Flûte Travers 8' [ab c°]
Prestant 4'
Flûte 4'
Flagéolet 2'
Euphone 8' basse/haut [durchschl.]
Voix Humaine 8'
Tremolo [ganzes Werk]
II. GRAND ORGUE | C–g³
Bourdon 16'
Montre 8'
Bourdon 8'
Viola di Gamba 8'
Bilingua haut 8'
Prestant 4'
Flûte 4'
Doublette 2'
Fourniture [2–4f.] [2’]
Cornet [5f. ab cis¹] [8’]
Trompette haut 8' bas/haut
Clairon 4'
Accouplet de Claviers
PÉDALE | C–c¹
Soubasse 16'
Bombarde 16'
Accouplement de ped. sep.
Accouplet de ped. et Gr.Org.
Accouplet de ped. et Positif.
Mechanische Schleiflade.
B-3700 Tongeren | Sint-Jansstraat 11
Quellen und Literatur: Erik van der Heijden, Orgellandschaft zwischen Maas und Rhein, Mettlach 2005, S. 138–140 ⋄ Orgelbouwnieuws: Tongeren Sint-Jan-de-Doper, in: ORGELkrant 1999/6 ⋄ Eigener Befund.
Nr. 246 | Diese Orgel habe ich am 03.08.2005 im Rahmen der GdO-Jahrestagung in Maastricht besucht.
© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 23.11.2024.
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