Ferndorf, ev. Laurentiuskirche

Orgel von E. F. Walcker & Cie. (Ludwigsburg), 1928/29.


© Gabriel Isenberg, 07.08.2020
© Gabriel Isenberg, 07.08.2020

Die um 1250 erbaute Laurentiuskirche in Ferndorf gehört zu den ältesten Kirchen des Siegerlandes. Nachdem 1778 bei umfassenden Umbauarbeiten an der Kirche auch die große Emporenanlage eingebaut worden war, sollte auch eine Orgel angeschafft werden. So hatten die Gebr. Kleine aus Freckhausen 1780 ein Angebot für einen Orgelneubau mit 18 Registern vorgelegt, der aber nicht zur Ausführung kam. Auch weitere Versuche, eine Orgel anzuschaffen (z. B. aus dem aufgelösten Kloster in Attendorn oder ein Neubau des Orgelbauers Ibach aus Barmen), scheiterten aus Kostengründen.

Erst 1837 kam es zur Aufstellung einer kleinen Orgel durch den Orgelbauer Christian Roetzel aus Alpe, mit dem schon seit 1828 Verhandlungen geführt worden waren. Das Instrument hatte nur acht Manualregister; das mit drei Registern geplante Pedalwerk wurde erst später ausgeführt.

1887 fanden mit dem Abriss des alten Chorraums und dem Anbau der sog. Neuen Kirchen erneut große Veränderungen des Kirchenraums statt. Im Anschluss an die Maßnahmen wurde der Orgelbauer Robert Knauf (Bleicherode) mit der Überprüfung der Orgel beauftragt. Gleichzeitig reichte er ein Angebot für eine Erweiterung auf 15 Register ein, die aber nicht zur Ausführung kam.

Nach weiteren umfangreichen Erneuerungen der Kirche 1927 erhielt die Fa. E. F. Walcker & Cie. in Ludwigsburg den Auftrag zum Bau einer neuen Orgel, der 1928 als Opus 2227 der renommierten Firma ausgeführt wurde; die Weihe fand im Februar 1929 statt. Die Orgel war eine Stiftung des Großindustriellen Friedrich Flick. Mit 26 Registern (inkl. zwei Transmissionen) auf zwei Manualen und Pedal war sie das erste der Größe des Kirchenraumes angemessene Instrument; die Steuerung der Taschenladen erfolgte über elektropneumatische Trakturen. Zuvor war die alte Roetzel-Orgel von 1837 durch Walcker in die ev. Kirche Netphen übertragen worden, wo sie bist 1937 in veränderter Form Bestand hatte.

In der Folgezeit war die Orgel mehrfach größeren Veränderungen ausgesetzt. Nachdem die Kirche im Zweiten Weltkrieg starke Schäden erlitten hatte, musste auch die Orgel nach Kriegsende instandgesetzt werden. Die Arbeiten übernahm die Fa. Emanuel Kemper & Sohn (Lübeck). Bei dieser ersten Maßnahme und erneut 1955 nahm die Fa. Kemper einige Dispositionsänderungen vor. Im Zuge der Innenrestaurierung der Kirche 1961 wurden die beiden Posaunenengel im Prospekt in das Ferndorfer Heimatmuseum überführt.

Der gravierendste Umbau erfolgte 1979 im Rahmen einer weiteren Kirchenrenovierung durch die Fa. Walcker. Dabei erhielt die Orgel einen neuen Spieltisc, ausgestattet mit zwei freien Kombinationen, der auf der linken Seitenempore aufgestellt wurde. Die Windladen wurden als elektrisch gesteuerte Schleifladen neu gebaut und auch die Disposition erfuhr weitere Veränderungen (das erste Manual erhielt eine neue Mixtur, und die beiden Pedaltransmissionen wurden durch die eigenständigen Register Gedeckt 8' und Choralbaß 4' aus Messing ersetzt; ein Großteil des Pfeifenwerks wurde neu intoniert, teilweise mit neuen Kernen versehen).

Im Rahmen der Kirchensanierung in den 1990er-Jahren führte die Orgelbauwerkstatt Albers & Wiggering (Schmallenberg) 1997 Instandsetzungsarbeiten durch, wobei die Disposition wiederum Änderungen erfuhr. Bei der Sicherung des Putzes im Deckengewölbe über der Orgel entdeckte man Wandmalereien aus dem 13. Jahrhundert, die aber beim Wiedereinbau der Orgel unter Putz verschlossen und konserviert wurden.

Zuletzt fand 2019 eine umfassende Sanierung und Restaurierung der Walcker-Orgel durch die Orgelbauwerkstatt Elmar Krawinkel & Sohn (Trendelburg-Deisel) statt. Dabei wurde die Disposition auf den Ursprungszustand von 1928 zurückgeführt. Außerdem erhielt die Orgel einen neuen Spieltisch, der – ausgestattet mit modernen Spielhilfen – nun wieder seinen Platz am ursprünglichen Standort vor dem Orgelprospekt fand. Die Windladen von 1979 blieben allerdings bestehen. Die 1961 entfernten Barockengel fanden wieder ihren Platz am Gehäuse.

Nach den Maßnahmen von 2019 ist ein besonderes Orgeldenkmal wieder zum Leben erweckt worden, das ein wichtiges klangliches Zeugnis aus der Zeit des Orgelbaus zwischen Romantik und beginnender Orgelbewegung ist.

Disposition bis 2019:

I. HAUPTWERK | C–g³

Prinzipal 8'

Bordun 8'

Oktave 4'

Spitzflöte 4'

Quinte 2 2/3'

Oktave 2'

Terz 1 3/5'

  [bis 1997: Oktave 1']

Mixtur 4-5f.

Trompete 8'

Koppel II-I

II. SCHWELLWERK | C–g³

Geigenprinzipal 8'

Salicional 8'

Gedeckt 8'

Kleinprinzipal 4'

  [bis 1997: Hohlflöte 4']

Kleingedeckt 2'

Bachflöte 2'

Terz 1 3/5'

Quinte 1 1/3'

Scharff 4f.

Oboe 8'

Tremulant II

PEDAL | C–f¹

Kontrabaß 16'

Subbaß 16'

Oktavbaß 8'

Gedeckt 8'

Choralbaß 4'

Bauernflöte 2'

Posaune 16'

Koppel II-P

Koppel I-P


Zwei freie Kombinationen, HR zur F.K. 1 und 2, Tutti, Zungenabsteller (einzeln).

Schleiflade, elektrische Spiel- und Registertraktur.

Disposition ab 2019:

I. HAUPTWERK | C–f³
Großprincipal 8'
Principalflöte 8'
Bourdun 8'
Salicional 8'
Octave 4'
Hohlflöte 4'
Quinte 2 2/3'
Octave 2'
Kornett 3-5f.
Trompete 8'

Koppel II–I

Unteroktavkoppel II–I

Oberoktavkoppel II–I

II. SCHWELLWERK | C–f³
Gedact 16'
Geigenprincipal 8'
Konzertflöte 8'
Gamba 8'
Vox coeleste 8'
Kleinprincipal 4'
Spitzflöte 4'
Bauernflöte 2'
Mixtur 3-4f. 2'
Oboe 8'
Tremulant

Unteroktavkoppel in II

Oberoktavkoppel in II

PEDAL | C–f¹
Kontrabaß 16'
Subbaß 16'
Octavbaß 8'
Violoncello 8'
Choralbaß 4'
Flöte 4'
Posaune 16'
Koppel II–P

Koppel I–P


Setzeranlage mit Sequenzern (abschließbar), Crescendowalze.

Schleiflade, elektrische Spiel- und Registertraktur.

vor 2019:

seit 2019:

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D-57223 Kreuztal-Ferndorf | Marburger Straße 175 (Ecke Kindelsbergstraße)


Quellen und Literatur: Archiv der ev. Kirchengemeinde Ferndorf, Orgelakten ⋄ Hermann J. Busch, Die Orgeln des Kreises Siegen, Berlin 1974, S. 101 f ⋄ Bernhard Burbach, Zur Geschichte des Orgelbaus im Kreis Siegen seit 1973 (unveröff. Examensarbeit), Siegen 1982, S. 107 f ⋄ Gabriel Isenberg, Orgellandschaft im Wandel, Phil. Diss., Dresden 2017 ⋄ Gabriel Isenberg, Orgellandschaft im Wandel (Teil 2): Orgelinventar des Kreises Siegen-Wittgenstein von den Anfängen bis 1945, in: Westfalen. Hefte für Geschichte, Kunst und Volkskunde, Bd. 98 (2020), S. 83–225, hier S. 106–108 ⋄ Orgelbau Krawinkel ⋄ Eigener Befund.

 

Nr. 8 | Diese Orgel habe ich zum ersten Mal am 26.10.1995 (noch vor der Instandsetzung durch die Fa. Albers & Wiggering) gespielt, danach mehrfach bei Gottesdiensten und Konzerten; nach der Restaurierung durch die Fa. Krawinkel habe ich die Orgel am 07.08.2020 besucht.

© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 09.05.2023.