Wiesentheid, St. Mauritius

Orgel von Georg Weishaupt (Ellgau), 2017, im Gehäuse der Orgel von Ignaz Samuel Will (Würzburg), 1729/30.


© Gabriel Isenberg, 21.05.2022
© Gabriel Isenberg, 21.05.2022

Schon in der gotischen Vorgängerkirche von Wiesentheid gab es eine Orgel: Sie war ein Werk des seit 1602 in Kitzingen ansässigen Orgelbauers Martin Schonat, fertiggestellt vor 1605.

Seit Mitte des 17. Jahrhunderts ist die Orgelbauerfamilie Hoffmann mit Arbeiten in Wiesentheid nachgewiesen. 1668 reparierte Jobst Hoffmann aus Marktbibart die Schonat-Orgel. Die neue, von dem fränkischen Baumeister Antonio Petrini 1681–84 erbaute, schlichte Barockkirche erhielt offenbar 1696 eine neue Orgel (möglicherweise auch nur als Umbau des vorhandenen Instruments), als deren Erbauer Johannes Hoffmann aus Würzburg angenommen werden kann. Derselbe baute 14 Jahre später eine neue Orgel für Wiesentheid; das sieben Register umfassende Werk war am 24. Juni 1710 fertiggestellt und wurde 1728 nach Kirchschönbach verkauft – die Orgel ist bis heute in Reupelsdorf erhalten. (Vermutlich auch zur Familie Hoffmann gehörig war der 1682 in Wiesentheid unter dem Taufnamen Johann Georg geborene, spätere Pater Hermann Hoffmann, der auch als Organist nachgewiesen ist.)

Von 1728 bis 1732 wurde die Kirche nach Plänen des Baumeisters Balthasar Neumann erheblich umgebaut und umgestaltet. In diesem Zuge erhielt sie auch eine neue Orgel, für die Graf Schönborn den Würzburger Orgelbauer Ignaz Samuel Will beauftragte. Über den Bau der Orgel verstarb Will am 7. September 1729. Die Fertigstellung des Instruments erfolgte 1730 vermutlich durch Wills Gesellen. Das 16 Register umfassende Werk erhielt ein Gehäuse, das der Kunsttischler Johann Georg Neßtfell (Würzburg) fertigte, die Bildhauerarbeiten und Wappen führte Heinrich Stahler (Frankfurt) aus.

Vermutlich waren die Arbeiten durch Wills Nachfolger qualitativ nicht hochwertig ausgeführt worden, so dass der Würzburger Hoforgelbauer Johann Philipp Seufert (laut einer nicht mehr vorhandenen Inschrift) bereits 1740 zu einer gründlichen Überarbeitung der Orgel nach Wiesentheid gerufen werden musste.

Durch Franz Hochrein (Münnerstadt) erhielt die Orgel 1885 ein zweites Manualwerk im Untergehäuse. Bei dieser Maßnahme wurde die Spielanlage an die Seite verlegt und die Schleifladen durch neue mechanische Kegelladen ersetzt; außerdem nahm Hochrein Dispositionsänderungen vor. Im Rahmen einer rekonstruktiven Erweiterungsarbeit wurde 1980 eine teilweise Rückführungen der Änderungen von 1885 angestrebt. Die Arbeiten führte die Günter Hoffmann aus Ostheim als sein Meisterstück aus. Die Orgel hatte nun 22 Register auf zwei Manualen und Pedal.

Von 2009 bis 2017 wurde die St.-Mauritius-Kirche umfassend restauriert. Den Abschluss der Arbeiten bildete der Bau einer neuen Orgel durch die Orgelbauwerkstätte Georg Weishaupt aus Ellgau – das bisherige Opus maxmium der Firma. Eine Herausforderung war es, in das vorhandene Barockgehäuse, das ursprünglich ein Werk mit 16 Registern enthielt, ein großes Instrument zu integrieren, das auch den liturgischen und konzertanten Anforderungen der Kirchenmusik des 21. Jahrhunderts entspricht. Während das Hauptwerk im historischen Hauptgehäuse untergebracht ist, fanden Schwellwerk und Pedal in kompakter Bauweise Aufstellung in einem eigenen Gehäuse dahinter. „Die Disposition des Instrumentes stellt eine Symbiose aus dem historisch gewachsenen Registerbestand und neu erbauten Pfeifenreihen dar. Sowohl Pfeifen aus dem 18. Jahrhundert (Will bzw. Seuffert) als auch aus dem 19. Jahrhundert (Hochrein), die in den verschiedenen Vorgängerorgeln integriert waren, konnten in der neuen Orgel eine sinnvolle Verwendung finden. Auch einige Register aus der Vorgängerorgel (20. Jahrhundert) konnten übernommen werden. Das übrige Pfeifenwerk wurde neu angefertigt. Mit 34 Registern ist diese Orgel die größte, die jemals in der Pfarrkirche in Wiesentheid erbaut war.“ (Christian Stegmann/Orgelbau Weishaupt)

Optisch wie akustisch fügt sich die Orgel optimal in den beeindruckenden Raum ein. In Kombination mit der Bach-Kellner-Temperierung zeigt sich die Intonation sowohl für barocke Orgelmusik wie auch für das romantische Repertoire bestens geeignet.

I. HAUPTWERK | C–g³

Stillgedeckt 16'

Principal 8' *

Traversflöte 8' *

Copel 8' *

Quintade 8' *

Salicional 8' *

Octave 4'

Spitzflöte 4'

Quinte 2 2/3'

Waldflöte 2'

Piccolo 1' *

Mixtur 4f. 2'

Cornett 5f. 8' ab gº

Trompete 8'

Koppel II–I

Subkoppel II–I

Superkoppel II–I

II. SCHWELLWERK | C–g³
Weitgedeckt 8'

Gamba 8'

Vox coelestis 8' *

Harmonieflöte 4'

Nasard 2 2/3'

Superoctave 2' *

Terz 1 3/5'

Quinte 1 1/3' [Vorabzug]

Mixtur 4f. 1 1/3'

Fagott-Oboe 8'

Tremulant

Subkoppel II–II

Superkoppel II–II

PEDAL | C–f¹

Principalbass 16' *

Subbass 16' *

Zartbass 16' [Transm. HW]

Octavbass 8'

Gedecktbass 8' [Auszug]

Violoncello 8' [Transm. HW]

Octave 4' [Transm. HW]

Choralflöte 4'

Contraposaune 16'

Posaune 8' [Auszug]

Koppel II–P

Koppel I–P

Superkoppel II–P

* = Register aus histor. Bestand


Setzeranlage mit Sequenzern, Absteller.

Schleiflade, mechanische Spieltraktur, elektrische Registertraktur.

Temperierung: Bach-Kellner.

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D-97353 Wiesentheid | Schlossplatz 4


Quellen und Literatur: Hermann Fischer/Theodor Wohnhaas, Historische Orgeln in Unterfranken, München/Zürich 1981, S. 280 ⋄ Orgelbau Weishaupt [30.04.2023] ⋄ Eigener Befund.

 

Nr. 621 | Diese Orgel habe ich am 21.05.2022 gespielt.

© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 30.04.2023.