Orgel: Jakob Engelbert Teschemacher (Elberfeld), 1782.
Restaurierung und Rekonstruktion: Romanus Seifert & Sohn (Kevelaer), 2025.
Die erste, 1602–04 erbaute evangelische Kirche in Alpen am Niederrhein gilt als einer der ersten reformierten Kirchen-Neubauten Deutschlands. Nach dem großen Dorfbrand von 1716 wurde die Kirche bis 1718 nach Plänen von Bartolomeo Salla wiederaufgebaut und erhielt dabei ihre typische Barockgestalt. Renovierungsarbeiten erfolgten 1902 und 1926; die durch die Weltkriege entstandenen Schäden waren mit der umfassenden Renovierung bis 1959 beseitigt. An die Gründerin der Kirche, Kurfürstin Amalia von der Pfalz, erinnert ein großes Grabmonument in der Gruftkapelle von 1602 – dem ehemaligen Chor der ersten Kirche.
Nach dem Brand von 1716 konnte die Kircheneinrichtung nur nach und nach durch Spenden wieder beschafft werden. 1750 schenkte Graf Ludwig von Bentheim der Gemeinde eine kleine Orgel aus seiner Schlosskapelle in Burgsteinfurt, die aber auf längere Sicht nicht den Anforderungen des Kirchenraums genügen konnte.
Für einen Orgelneubau konnte der renommierte bergische Orgelmacher Jakob Engelbert Teschemacher aus Elberfeld gewonnen werden, der 1772 einen ersten Kostenanschlag einreichte. Es dauerte noch etliche Jahre, bis das Geld für den Neubau gesammelt war. Die Bauarbeiten begannen 1780; am 4. August 1782 konnte schließlich die fertige Orgel mit elf Registern und angehängtem Pedal eingeweiht werden. Da Teschemacher zu diesem Zeitpunkt schon rund 70 Jahre alt war, übergab er die Ausführung der Pläne seinem Meistergesellen Gerhard Schrey – kurz nach Vollendung der Orgel starb Teschemacher am 26. Oktober 1782. (Die alte Orgel kam in die lutherische Kirche in Pfalzdorf bei Goch.)
1909 wurden im Rahmen einer Überholung der Alpener Orgel durch Bernhard Tibus (Rheinberg) neue Zungenpfeifen eingesetzt. Nachdem infolge eines Artilleriebeschusses im Ersten Weltkrieg eine Gewökbekappe auf die Orgel gestürzt war, drang Feuchtigkeit durch das offene Dach in die Kirche und die Orgel ein. So gab es in den 1930er Jahren Überlegungen, die Orgel durch ein neues Instrument zu ersetzen. Dieses Projekt konnte jedoch durch den damaligen Landeskonservator verhindert werden, der die Orgel unter Denkmalschutz stellen ließ.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ergab sich die Möglichkeit, historische Bestandteile einer Orgel aus der gleichen Bauzeit anzukaufen, die angeblich von Abraham Itter (Düsseldorf) 1773 gebaut worden war und in einem Duisburger Museum stand. Im Rahmen eines umfassenden Umbaus integrierte die Kölner Orgelbauwerkstatt Willi Peter 1957/58 das angekaufte Pfeifenwerk als Brustwerk in die Teschemacher-Orgel und fügte ein eigenständiges Pedalwerk hinzu.
1976 fand eine Generalüberholung durch die Fa. Peter statt. Eine erneute Generalsanierung durch die Fa. Peter im Jahr 2008/09 misslang, so dass die Orgel in der Folge über etliche Jahre unspielbar war. Es folgten gerichtliche Auseinandersetzungen und Gutachten, die schließlich in erneute Restaurierungsmaßnahmen mündeten, für die als Restaurierungsziel die „technische und klangliche Wiederherstellung der Teschemacher-Orgel mit neuer Keilbalg-Windanlage und additiv möglicher Nutzung eines Hinterwerks und Subbasses“ formuliert wurde. Am 13. Dezember 2023 erhielt die Orgelbauwerkstatt Romanus Seifert & Sohn (Kevelaer) den Auftrag zur Restaurierung, die mit der Wiedereinweihung des Instruments am 18. Mai 2025 erfolgreich abgeschlossen werden konnte.
Das Hauptgehäuse enthält nun wieder den Bestand der Teschemacher-Orgel, deren Register vom Untermanual aus angespielt werden. Auf Wunsch der Gemeinde sollte die Orgel auch wieder ein zweites Manual erhalten, welches als „Begleitwerk“ hinter dem Hauptgehäuse aufgestellt ist und vom Obermanual aus angespielt wird – das Pfeifenwerk wurde 2024 neu gebaut und steht auf der umgearbeiteten Windlade von Peter von 1958. Der Subbass von 1958 ist als einziges Pedalregister auf der Pedallade ganz hinten in der Orgel aufgestellt; allerdings ist die Pedalklaviatur auch – wie damals bei Teschemacher – fest an das Hauptmanual angekoppelt.
Original erhalten von Teschemacher sind das Gehäuse, der Wellenrahmen, die Hauptwerkslade und die meisten Register des Hauptwerks; nach historischem Vorbild rekonstruiert wurden 2024 die Zungenstimmen, der Principal 4' im Prospekt sowie einige Pfeifen der Violin 8'.
In der Gehäusefront ist die Inschrift „Futura contemplans beatus • Anno 1782“ zu lesen: „Selig, wer an die zukünftige Herrlichkeit denkt“.
I. UNTERWERK | C–c³
Metallgedackt 8'
Nachthorn 4'
Principal 2'
Quinte 1 1/3' (Disk.)
Oktavzimbel [2f.] 1/2'
Geigend-Regal 8'
II. HAUPTWERK | C–g³
Principal 4'
Bordun 8'
Violin 8' (Disk.)
Quintadena 8' (Bass/Disk.)
Flöte traverso 4'
Undamaris 8' (Disk.)
Octave 2'
Sesquialtera [2f.] 1 1/3' (Bass)
Cornett 3f. [3'] (Disk.)
Mixtur 3f. 1'
Trompete 8' (Bass/Disk.)
Vox humana 8' (Disk.)
Tremolo
Koppel I–II
PEDAL | C–d¹
Gedacktpommer 16'
Offenbass 8'
Oktavbass 4'
Hintersatz 3f.
Liebl. Posaune 16'
Koppel II–P
Koppel I–P
Mechanische Schleiflade.
I. MANUAL | C–c³
Principal 4'
Bourdon 8'
Violin 8' Disk.
Quintadena 8' Bas/Disc.
Fleut travers 4'
Unda maris 8' Disc.
Octava 2'
Sesquialter 3f. Bas
Cornett 3f. Disc.
Mixtur 3f.
Fagot 8' Bas
Trompet 8' Disc.
Vox humana 8' Disc.
II. BEGLEITWERK | C–c³
Copula 8'
Rohrfleut 4'
Quinta 3'
Principal 2'
Tertie 1 3/5'
PEDAL | C–fº
Subbass 16'
feste Koppel I–P
Mechanische Schleiflade.
Die ersten beiden Bilder im Zustand von 1958 (Fotos 2003); die weiteren Bilder nach der Restaurierung 2025:
D-46519 Alpen (Niederrhein) | Burgstraße 43a
Quellen und Literatur: Hans Joachim Oehm, Jacob Engelbert Teschemacher, ein pietistischer Orgelbauer im Wuppertal des 18. Jahrhunderts, Fassung 2010, S. 57f ⋄ Thomas Hübner,
Jacob Engelbert Teschemacher (1711–1782). Der Biograph Tersteegens und Orgelbauer. Festgabe zur Indienststellung der Teschemacher-Orgel von 1743, Rheinbach 2014, S. 565ff ⋄
Restaurierungsbericht: Jakob Engelbert Teschemacher und Johann Gerhard Schrey Orgel von 1782, evangelische Kirche Alpen, Kevelaer [Orgelbauer Seifert] 2025 ⋄ Eigener Befund.
Nr. 168 | Diese Orgel habe ich am 05.08.2003 im Zustand vor der ersten Restaurierung 2008/09 gespielt.
© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 20.05.2025.
www.orgelsammlung.de
© Dr. Gabriel Isenberg, 2023/25