Kempen, Propsteikirche St. Mariae Geburt

Orgel von Winfried Albiez (Lindau), 1979.


Bildersammlung Gabriel Isenberg (Bildquelle unbekannt)
Bildersammlung Gabriel Isenberg (Bildquelle unbekannt)

Die Geschichte der Kempener Propsteikirche St. Mariae Geburt reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück. Darin baute der Kölner Meister Veit ten Bendt – ein Orgelbauer aus dem Kreis um Hendrik Niehoff und Schüler von Hans Suys – in den Jahren 1539–41 vor dem Bogen zur Turmhalle eine Orgel, deren Gehäuse bis heute auf der nördlichen Empore des Chorumgangs erhalten ist. Nach einer wechselvollen Geschichte – 1875 Neubau des Orgelwerks durch Franz Wilhelm Sonreck, 1908 Verwendung der Gehäusefront für eine neue Orgel von Ernst Seifert – wurde das Orgelwerk 1989 entfernt und der Renaissance-Prospekt restauriert. Seit 2006 steht das restaurierte Renaissance-Gehäuse wieder in der Kirche, der durch die Fa. Ahrend geplante Bau eines entsprechenden klingenden Innenlebens konnte aus finanziellen Gründen bislang nicht durchgeführt werden.

Um für die große Kempener Propsteikirche ein reich ausgestattetes, qualitätvolles Instrument zu erhalten, wurde auf Anraten des Sachverständigen Maarten A. Vente (Utrecht) in den 1970er Jahren eine Kompromiss-Lösung umgesetzt, bei der der wertvolle Renaissance-Prospekt mit seinem klingenden Werk zunächst für eine spätere Rekonstruktion unangetastet blieb und stattdessen auf einer neuen Empore im Westwerk eine neue große Orgel errichtet wurde.

Der Auftrag für den Bau dieser neuen Orgel erging an den Lindauer Orgelbauer Winfried Albiez, dessen Werk am 22. September 1979 eingeweiht werden konnte. Die Orgel sollte weder eine Stilkopie darstellen, noch den Charakter einer „Universalorgel“ haben. Vielmehr spricht das von dem Orgelsachverständigen Viktor Scholz (Mönchengladbach) in Zusammenarbeit mit dem Orgelbauer und Walter Damm (Kempen) disponierte und von Winfried Albiez disponierte Instrument seine ganz eigene Sprache, das eine für die Bauzeit ungewöhnlich vielfältige, „zeitlose“ Klangfarbenpalette aufweist. Hinzu kommen die konsequent vollmechanische Schleifladenbauweise und das massive Eichenholzgehäuse nach einem Entwurf von Adolf Hund (Wasserburg).

Im Frühjahr 2011 wurde die Orgel durch die Orgelbauwerkstatt Martin Scholz (Mönchengladbach) gereinigt und generalüberholt, präsentiert sich aber ansonsten unverändert im Zustand von 1979, ohne das je größere Probleme oder Störungen aufgetreten wären, was wiederum von der hohen Qualität des Instruments spricht.

Aus der Prospektgestaltung lässt sich die Anordnung der Werke klar ablesen. Das Schwellwerk ist im hinteren Bereich der Orgel positioniert, die horizontalen Zungenstimmen im Prospekt gehören zur Pedaltrompete 8'. Die Registerzüge zu beiden Seiten der Spielanlage (links HW und Pedal, rechts SW und RP) sind nach Registergruppen geordnet. Die Koppeln sind auch als mit den Zügen korrespondierende Fußtritte vorhanden. Mit weiteren fünf Tritten werden die freien Kombinationen bedient: Zum „Einprogrammieren“ müssen die gewünschten Register gezogen werden, dann wird der entsprechende Tritt nach oben geschoben; zum Abrufen der Kombination wird der Tritt nach unten getreten. Außerdem als Fußtritte sind der Absteller („Abst“) und ein Plenotritt („Pl“, frei einstellbar) vorhanden. Die mechanischen Spielhilfen werden durch Schleifenzugmagnete unterstützt. Der Winddruck beträgt 50 bis 80 mmWS.

I. RÜCKPOSITIV | C–g³

Rohrflöte 8’

Quintade 8’

Principal 4’

Koppelflöte 4’

Sesquialter 2f. 2 2/3’

Gemshorn 2’

Quinte 1 1/3’

Scharff 4f. 1’

Rankett 16’

Krummhorn 8’

Tremulant

Koppel III–I

II. HAUPTWERK | C–g³

Principal [Tr Ped] 16’

Praestant 8’

Gedeckt 8’

Octav 4’

Spitzflöte 4’

Quinte 22/3’

Superoctav 2’

Mixtur IV-V 11/3’

Cymbel III 1/2’

Cornett III-V [ab c0]

Trompete 8’

Koppel III–II

Koppel I–II

III. SCHWELLWERK | C–g³

Bourdon 16’

Principal 8’

Bourdon 8’

Gambe 8’

Voix céleste 8’

Prestant 4’

Flûte octaviante 4’

Nazard 2 2/3’

Quarte 2’

Tierce 1 3/5’

Plein-jeu 5–5f. 2’

Tremulant

Basson 16’

Trompette 8’

Hautbois 8’

Clairon 4’

PEDAL | C–f¹

Principalbass 16’

Subbass 16’

Octav 8’

Gedecktflöte 8’

Choralbass 4’

Rauschbass 4f. 2 2/3’

Posaune 16’

Trompete 8’

Koppel III–P

Koppel II–P

Koppel I–P


Fünffacher mechanischer Setzer (A bis E), Absteller, Pleno (frei einstellbar).

Mechanische Schleiflade.

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D-47906 Kempen | An St. Marien


Quellen und Literatur: Walter Damm, Kempener Orgeln 1979–1999, in: Gremmel-Geuchen, Ute (Hrsg.): Die König-Orgel der Kempener Paterskirche, Kempen 2000, S. 80–87 ⋄ Ders., Die Orgel der Propsteikirche St. Marien in Kempen/Niederrhein, in Ars Organi 4/1980, S. 257–261 ⋄ Gustav K. Ommer, Neuzeitliche Orgeln am Niederrhein, München Zürich, 1988, S. 126 ⋄ Franz-Josef Vogt, Franz Wilhelm Sonreck (1822-1900). Untersuchungen zum Leben und Schaffen eines rheinischen Orgelbauers, Köln, 1978, S. 205–218 ⋄ Werkverzeichnis Orgelbau Ernst Seifert ⋄ Eigener Befund.

Nr. 120 | Diese Orgel habe ich am 26.05.2001 besucht.
© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 08.12.2024.