Orgel von Franz Wilhelm Sonreck (Aachen), 1874 und Johannes Klais (Bonn), 1906;
neukonzipiert durch Orgelbau Klais (Bonn), 1999.
Die neugotische St.-Laurentius-Kirche in Essen-Steele wurde in den Jahren 1870 bis 1873 nach den Plänen des Architekten August Rincklake und unter der Bauleitung von Caspar Clemens Pickel errichtet. Erst zwei Jahre später, am 20. Mai 1875 fand die Konsekration des „Steeler Doms“ durch den Kölner Erbischof Paulus Melchers statt.
Zur Grundausstattung der Kirche gehörte auch die Orgel, zu der der Kölner Orgelbauer Franz Wilhelm Sonreck am September 1872 sein Angebot eingereicht hatte und die 1874 fertiggestellt war. Das Abnameprotokoll des Bürener Seminarmusiklehrers Wennekamp (oft zitiert unter dem Namen Schrade) war voll des Lobes über „Fülle und Kraft, Deutlichkeit und Bestimmtheit“ des imposanten Werks. Allerdings hatte das mit 33 Registern recht große, rein mechanisch traktierte Instrument eine recht schwergängige Spielart, was im Laufe der Zeit immer wieder Kritik hervorrief.
Das führte 1906 zu einem technischen Neubau durch die Orgelbauanstalt Johannes Klais in Bonn, bei dem unter Beibehaltung des Gehäuses und von elf Registern aus der Sonreck-Orgel ein 38 Register umfassendes Instrument entstand, das jetzt das „moderne“ pneumatische Kegelladensystem verwendete. Die Disposition des Klais-Opus 331 entsprach jetzt mit einer breiten Grundstimmen-Palette dem Ideal der deutsch-hochromantischen Orgel. Der Unterbau des Sonreck'schen Gehäuses wurde entfernt, so dass nun Platz für einen freistehenden Spieltisch und den Chor geschaffen wurde; außerdem wurde die Empore 1927 nach vorne erweitert.
Wenngleich die Kirche bei einem Luftangriff am 23. Oktober 1944 große Schäden erlitten hatte, scheint die Orgel die Kriegszeiten relativ unbeschadet überstanden zu haben. Der größte Eingriff in die vorhandene Substanz war der Umbau, den die Fa. Gebr. Stockmann (Werl) im Jahr 1968 durchführte. Dabei wurde die pneumatische Traktur durch eine elektrische ersetzt, ein neuer Spieltisch geliefert und die Disposition im neobarocken Sinne „aufgehellt“. Von dem neuen Spieltisch konnte später auch die 1978 ebenfalls von Stockmann erbaute Chororgel angespielt werden.
Auf lange Sicht erwiesen sich die Eingriffe von 1968 weder klanglich noch technisch als besonders günstig. Zudem zeigte sich die Statik des Instruments gefährdet. So entschloss man sich zur grundlegenden Restaurierung und Neukonzeption des Instruments und beauftragte damit die Orgelbauwerkstatt von Hans Gerd Klais in Bonn. Grundgedanke der „Neuschöpfung“ war es, so Hans Gerd Klais, „die guten vorhandenen Orgelteile, sowohl das Gehäuse von Sonreck als auch die erhaltenen Register und Pfeifen von Sonreck und Johannes Klais, ja auch 2 Register von Stockmann, in eine Neukonzeption einzuarbeiten, die sich klanglich an dem Instrument von 1906 orientiert (um nicht sogar von einer klanglichen Rückführung zu sprechen) und doch Bezug nimmt auf das großartige Sonreck-Gehäuse mit seiner Front aus Eichenholz.“ Daraus entstand eine Disposition mit 37 Registern, die nun wieder auf mechanische Schleifladen gesetzt wurden – in Anlehnung an 1906 wieder mit komplett ausgebauten Superoktavkoppeln im Hauptwerk. In 16 Registern ist noch Pfeifenbestand von Franz-Wilhelm Sonreck aus dem Jahr 1874 enthalten; vor allem die Zungenstimmen mussten neu ergänzt werden.
Mit der am 29. August 1999 wiedereingeweihten Sonreck-Klais-Orgel ist eine der wenigen noch erhaltenen romantischen Großorgeln des Ruhrgebiets in ihrem ursprünglichen Klanggewand wiederhergestellt. Dank der versierten Intonationskunst von Klaus Hilchenbach von der Fa. Klais fügen sich die Register aus den verschiedenen Bauschichten nahtlos zueinander und verleihen der Orgel eine ausgesprochene Farbigkeit.
Der Spieltisch steht mittig auf der Empore. Die Spieltrakturen und Normalkoppeln sowie die Superkoppel I–P sind mechanisch, die übrigen Oktavkoppeln werden durch Synchronmagneten elektrisch gesteuert. Die Registersteuerung ist elektrisch und wird durch eine Setzeranlage mit 1024 Kombnationen ergänzt.
I. HAUPTWERK | C–g³
Principal 16’ [C–H aus Violon 16']
Bordun 16’
Principal 8’
Flaut major 8’
Gamba 8’
Gemshorn 8’
Gedackt 8’
Quintatön 8’
Octave 4’
Hohlflöte 4’
Quinte 22/3’
Octave 2’
Cornett 4-5f.
Mixtur 4-5f.
Trompete 8’
Koppel II–I
Sub I–I
Super I–I [bis g⁴]
Sub II–I
II. SCHWELLWERK | C–g³
Lieblichgedackt 8’
Principal 8’
Flaut amabile 8’ [C–G aus Rohrfl.]
Rohrflöte 8’
Salicional 8’
Vox coelestis 8’
Aeoline 8’
Fugara 4’
Flauto traverso 4’
Sesquialter 2f.
Flautino 2’
Oboe 8’
Klarinette 8’
Harmonia aetheria 3–4f.
Tremulant
Sub II–II
PEDAL | C–f¹
Contrabass 16’
Violon 16’
Subbass 16’
Octavbass 8’
Violoncello 8’
Superoctave 4’
Posaune 16’
Tromba 8’
Koppel I–P
Koppel II–P
Super I–P
1024fache elektronische Setzeranlage mit Sequenzern und Nulltaster (3 Ebenen abschließbar).
Schleifladen mit mechanischer Spiel- und elektrischer Registertraktur.
Quellen und Literatur: Festschrift zur Einweihung der Historischen Orgel in St. Laurentius zu Essen-Steele am 29. August 1999, Essen 1999 ⋄ Eigener Befund.
Nr. 108 | Diese Orgel habe ich am 22.08.2000 gespielt.
© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 11.01.2025.
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