Orgel: Richard Kreutzbach (Borna), 1884/99.
In den Jahren 1881 bis 1884 wurde die ev.-lutherische Nathanaelkirche im Leipziger Stadtteil Lindenau erbaut. Zur Grundausstattung aus der Erbauungszeit gehört auch die 1884 von Richard Kreutzbach aus Borna mit 34 Registern erbaute Orgel, die mit ihren pneumatisch angesteuerten Kastenladen die seinerzeit erste vollpneumatische Orgel Sachsens war.
1891 führte Kreutzbach eine Reinigung und Reparatur durch, bei der u. a. neue Pneumatikrohre aus Messing statt aus Pappe eingebaut wurden. 1899 erfolgte eine Erweiterung der Orgel: Im Turmraum ergänzte Richard Kreutzbach ein Schwellwerk auf pneumatischer Kegellade als III. Manualwerk. Außerdem baute er den Registerschweller-Tritt zur Walze um, fertigte ein neues doppeltes Magazingebläse, ergänzte im I. Manual eine Trompete 8' und setzte im II. Manual anstelle der Oboe 8' eine Klarinette 8'.
Von 1903 bis 1917 hatte die Nachfolgefirma Kreutzbachs, Schmidt & Berger, die Orgel in Pflege und führte mehrfach kleinere Reparaturen aus; 1934 erfolgte der Einbau eines neuen Zinkprospekts durch einen namentlich nicht genannten Orgelbauer.
In den 1970er Jahren verschlechterte sich der Bauzustand der Kirche zusehends, in den 1980er Jahren wurde die Kirche offiziell als Gottesdienstort aufgegeben und zeitweise als Materiallager zweckentfremdet; zwischenzeitlich gab es auch Überlegungen zu einem Abriss. Doch nach der politischen Wende begann ab 1993 die Wiederbelebung des Kirchengebäudes: Nachdem 1994 erstmals wieder Gottesdienste in der Kirche gefeiert wurden, nahm man in den folgenden Jahren nach und nach die Sanierung der Kirche in Angriff, u. a. die Neuneindeckung des Kirchendachs und die Erneuerung der Bleiglasfenster. 2013 wurde der Aufgabebeschluss der Nathanaelkirche offiziell wieder aufgehoben.
Ein wesentlicher Meilenstein in der Wiederherstellung der Nathanaelkirche war die in den Jahren 2018 bis 2020 erfolgte Restaurierung der Orgel durch die Fa. Mitteldeutscher Orgelbau A. Voigt GmbH (Bad Liebenwerda). Dabei konnte der ursprüngliche Zustand des Instruments wiederhergestellt werden. Auch entschied man sich für die Restaurierung des von Kreutzbach entwickelten Kastenladensystems. Da dieses Windladensystem aber von Anfang an nie fehlerfrei funktioniert hatte, ergänzte man eine parallele elektrische „Bypass-Traktursteuerung“, die die Funktionssicherheit des Instruments gewährleistet und außerdem die Schaltung weiterer Koppeln sowie einer Setzeranlage ermöglicht. Die Steuerung der elektrischen Traktur erfolgt über die originalen Registerdrücker, die im eingeschalteten Zustand aufleuchten; über eine Schublade an der linken Spieltischseite kann die Setzeranlage bedient und zwischen pneumatischer und Bypass-Steuerung gewählt werden.
I. HAUPTWERK | C–f³
Principal 16'
Bordun 16'
Principal 8'
Gamba 8'
Hohlflöte 8'
Bordunalflöte 8'
Gedackt 8'
Gemshorn 8'
Hohlflöte 4'
Octave 4'
Rohrflöte 4'
Quinte 2 2/3'
Octave 2'
Cornett 2–4f. [2 2/3']
Mixtur 4f. [2']
Trompete 8'
Koppel II–I
II. OBERWERK | C–f³
Lieb. Gedackt 16'
Geigen Principal 8'
Flauto amabile 8'
Salicional 8'
Aeoline 8'
Principal 4'
Flauto traverso 4'
Progressio Harmonia [2–3f.]
Oboe 8' [rekonstr.]
III. SCHWELLWERK | C–f³
Liebl. Gedackt 16'
Flauto trav. 8'
Rohrflöte 8'
Viola d’amor 8'
Vox celeste 8'
Geig. Principal 8'
Flautino 4'
Fugara 4'
Harm. Aetherea 3f. [rekonstr.]
PEDAL | C–d¹
Principal 16'
Violon 16'
Subbass 16'
Quintenbass 10 2/3'
Octavbass 8'
Violon Cello 8'
Flötenbass 8'
Octavbaß 4'
Posaune 16'
Koppel II–P
Koppel I–P
Drei feste Kombinationen (P, MF, FF), Rollschweller, drei Ventile (Abschaltungen).
Elektrische Bypass-Traktursteuerung mit Setzeranlage und zusätzlichen Koppeln (Ankopplung des III. Manuals, Sub- und Superoktavkoppeln sowie Intervallkoppeln).
Pneumatische Kastenlade und im III. Man. Kegellade.
D-04177 Leipzig-Lindenau | Rietschelstraße 5a
Quellen und Literatur: Markus Zimmermann, Pneumatik mit elektrischem Bypass. Die Kreutzbach–Orgel der Nathanaelkirche Leipzig-Lindenau, in: Organ. Journal für die Orgel 24, 2021, H. 1, S. 40–45 ⋄ Eigener Befund.
Nr. 661 | Diese Orgel habe ich am 22.05.2024 besucht.
© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 28.05.2024.
www.orgelsammlung.de
© Dr. Gabriel Isenberg, 2023/25