Lieberhausen (bei Gummersbach)

Ev. Kirche („Bunte Kerke“)

Orgel: Paul Faust (Barmen), 1913.

Gehäuse: Johann Heinrich Kleine (Freckhausen), 1765.


Bildersammlung Gabriel Isenberg (Bildquelle unbekannt)
Bildersammlung Gabriel Isenberg (Bildquelle unbekannt)

Sogenannte „Bunte Kerken“ gibt es im Oberbergischen Land mehrere – der Name bezieht sich auf die mittelalterlichen Deckenmalereien, die diese Kirchen prägen. Anfänglich wurde diese Bezeichnung nur für die evangelische Kirche in Lieberhausen bei Gummersbach verwendet. Die spätromantische Kirche in Lieberhausen stammt aus dem 11. Jahrhundert und ist eine dreischiffige Pfeilerbasilika, die damals dem Kölner Severinsstift zehntpflichtig war. Im Laufe des 15. Jahrhunderts wurde dem alten Bau ein neues Querhaus mit rechteckigem Chor hinzugefügt. Als Besonderheit der Lieberhauser Kirche gilt, dass vor- und nachreformatorische Malereien nebeneinander zu sehen sind. Im 19. Jahrhundert wurden die Malereien weiß übertüncht, doch 1911–13 und 1954 im Rahmen von Restaurierungsmaßnahmen wiederhergestellt.

Die erste Orgel erhielt die Kirche 1765 durch den Orgelbauer Johann Heinrich Kleine aus dem nahegelegenen Freckhausen. Das Instrument, das ursprünglich mit Altar und Kanzel eine Einheit bildete, hatte zehn Register auf einem Manual. Bei einem 170 Taler teuren Umbau gestaltete Kleines Urenkel Daniel Roetzel die Disposition 1875 grundtöniger um – sie lautete nun: Principal 8’ (Disc.), Gedact 8’, Violadigamba 8’ B/D, Principal 4’, Fleute traverse 4’, Gemshorn 4’, Octave 2’, Cornetti 3f., Trompete 8’.

Im Zuge der Freilegung der Wandmalereien und der Umgestaltung der Kirche wurde 1913 auch eine neue Orgel gebaut, die aus der Werkstatt von Paul Faust (Barmen) stammt. Faust versetzte das alte Gehäuse in die östliche Chorwand und versah es mit hölzernen Pfeifenattrapen; dahinter stellte er das Orgelwerk auf pneumatischen Kegelladen auf und setzte davor einen Jalousieschweller für das gesamte Werk. Einige der von Faust verwendeten Pfeifen bezeichnete er als „alt“ bzw. „nicht ganz neu“, wobei die genaue Herkunft nicht eindeutig bestimmt werden kann. Der Spieltisch fand nun auf der gegenüberliegenden Westempore Platz, so dass die elektrischen Trakturen einen weiten Weg über das Kirchengewölbe zurücklegen – seinerzeit eine technische Innovation!

Der Spieltisch steht quer zur Emporenbrüstung. Die Registerkippschalter sind in einer Reihe über dem oberen Manual angelegt. Alle Koppeln und Spielhilfen befinden sich als einrastende Druckschalter unter dem ersten Manual. Ein Schwellertritt aus Holz ist vorhanden. Bezeichnend sind die frühen elektrischen Einrichtungen und Angaben im Spieltisch: Zwei Schilder weisen auf das Faustsche Kreiselgebläse und die Stromabnahme per Dynamo hin; neben dem Voltmeter steht das Hinweisschild „Der Accumulator darf nicht höher als 12 Volt und unter 3 Volt entladen werden“.

Orgelbau Willi Peter aus Köln restaurierte die Orgel 1990. Rund 20 Jahre später wurde jedoch erneut Renovierungsbedarf deutlich. Nachdem die Orgel mehrere Jahre schweigen musste, gründete sich 2015 ein Verein mit dem Ziel der Finanzierung einer Wiederherstellung der wertvollen Orgel. Nach den Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten durch die Orgelbauwerkstatt Klais in Bonn konnte die Orgel im September 2018 wieder in Dienst genommen werden.

Mit ihrem weichen grundtönigen Klang bietet die kleine Orgel eine Vielzahl an Klangschattierungen und -farben und vermag es dennoch durch die Oktavkoppeln, im Plenoklang den Kirchenraum genügend zu füllen. Durch die räumliche Distanz zwischen Spieltisch und Orgel ergibt sich für den Organisten eine zeitliche Verzögerung in der Wahrnehmung des Gespielten. In ihrem nahezu unveränderten Zustand stellt die Lieberhauser Faust-Orgel ein besonderes Orgeldenkmal der spätromantischen Epoche des Orgelbaus dar und ist zugleich ein Beispiel für den frühen Einsatz der Elektrik im Orgelbau.

I. MANUAL | C–f³

Principal 8’

Soloflöte 8’

Dolce 8’

Octav 4’

Mixtur 3f. 22/3’

Suboctavcoppel II z. I.

Superoctavcoppel in I.

Manualcoppel II z. I.

II. MANUAL | C–f³

Echogamba 8’

L. Gedeckt 8’

Aeoline 8’

Vox coelestis 8’

Flauto amabile 4’

PEDAL | C–d¹

Subbass 16’

Stillgedeckt 16’

Pedalcoppel z. I.

Pedalcoppel z. II.


Feste Kombinationen (Piano, Mezzoforte, Tutti, Auslöser), Piano Pedal, Jalousieschweller (gesamtes Werk).


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D-51647 Gummersbach-Lieberhausen | Kirchplatz


Quellen und Literatur: Franz Gerhard Bullmann, Die rheinischen Orgelbauer Kleine – Roetzel – Nohl, Giebing 1969, S. 31 [nach Johann Friedrich Franz von Steinen, Spezialgeschichte des Kirchspiels Gummersbach, ungedruckt], S. 127–128 ⋄ Hannelore Reuter und Helmut Klöpping, Der westfälische Orgelbauer Paul Faust und sein Erbe, in: Westfalen 76/1998, S. 186 ⋄ Siegfried Hillenbach / Klaus Pampus, Orgeln in oberbergischen Kirchen, Gummersbach 2004, S. 141–142 [dort Auszug eines Orgelgutachtens von Dr. Franz-Josef Vogt] ⋄ Orgelbau Klais ⋄ Eigener Befund.

Nr. 226 | Diese Orgel habe ich am 18.09.2004 im Rahmen einer Gemeindefahrt gespielt.
© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 06.06.2025.