Orgel: Hermann Eule Orgelbau (Bautzen), 1998.
St. Bonifatius in Neuenkirchen ist die südlichste Kirche des niedersächsischen Teils des Bistums Münster, gehörte aber lange Zeit, zumindest teilweise, auch zum Bistum Osnabrück. Die alte gotische Kirche von 1426 – 1659 erweitert und 1758 renoviert – wurde über zweihundert Jahre lang, von 1651 bis 1889, als Simultankirche von katholischen und evangelischen Christen genutzt. Kurz nach der Einrichtung des Simultaneums nach Ende des Dreißigjährigen Kriegs wurde 1655 eine vorhandene, im Krieg stark beschädigte Orgel durch den Briloner Orgelbauer Henrich Düppen wiederhergestellt. Weitere Reparaturen an dem Instrument führte 1674/75 der aus Groningen stammende Orgelbauer Johann Halman aus.
1705 erhielt die Kirche eine neue Orgel, als deren Erbauer der Herforder Orgelbauer Hinrich Klausing gilt – das Werk hatte neun Register für ein Manual und angehängtes Pedal und stand auf einer Seitenempore. Kleinere Reparaturen und Stimmungen erfolgten im Laufe des 18. Jahrhunderts durch Johann Adam Berner, Joseph Mencke, Christoffer Winker und Eberhard Berner.
1837–39 errichtete Wilhelm Haupt nach den Plänen des Tecklenburger Orgelbauers Joachim Wenthin ein neues Instrument mit 12 Registern auf zwei Manualen und angehängtem Pedal; dabei dürfte es sich um eines der ersten Instrumente Haupts gehandelt haben, der sich (gebürtig aus Osterholz-Scharmbeck stammend) 1827 in Damme niedergelassen hatte und 1838 seine Werkstatt nach Ostercappeln verlegte. Dreißig Jahre später bekam die Orgel durch Carl Haupt ein eigenständiges Pedalwerk.
Nach dem Bau einer eigenen evangelischen Kirche wenige hundert Meter entfernt und der Auflösung des Simultaneums wurde die alte St.-Bonifatius-Kirche in den Jahren 1902 bis 1905 durch den heutigen neugotischen Bau ersetzt, der durch Wilhelm Sunder-Plaßmann (Münster) nach Plänen von Ludwig Becker (Mainz) entstand. Für diese Kirche baute Rudolf Haupt, der inzwischen den Firmensitz nach Osnabrück verlegt hatte, 1909 eine neue Orgel mit 16 klingenden Stimmen unter Verwendung mehrerer alter Register. Ein 1947 von Johann Caspar aus Nordenham begonnener Umbau misslang, so dass schließlich die Fa. Heinrich Rohlfing, Inh. Matthias Kreienbrink, aus Osnabrück in den Jahren 1952 bis 1956 die umfassenden Umbau- und Erweiterungsarbeiten zu Ende führte. Die Orgel hatte nun 40 Register auf drei Manualen und Pedal. Doch auch in dieser Form konnte das Instrument nicht lange überzeugen und erforderte viele Reparaturen. Schließlich wurde die Haupt/Rohlfing-Orgel in die Ukraine verkauft, wo sie ihren neuen Standort in der St.-Peter-und-Paul-Kathedrale in Luzk fand.
Für Neuenkirchen bekam die Bautzener Orgelbaufirma Hermann Eule den Auftrag zum Bau eines ganz neuen Instruments, das am 22. November 1998 eingeweiht werden konnte. Die Orgel hat 32 klingende Register auf zwei Manualwerken und Pedal. Die Registerzahl wird erweitert durch etliche Transmissionen aus dem Hauptwerk ins Pedal. Die Windladen sind nach dem mechanischen Schleifladensystem mit Doppelregistratur für die elektronische Setzeranlage gebaut. Der konzeptionelle Schwerpunkt liegt bei der Orgel auf der mitteldeutschen Orgelstilistik des späten 18. und 19. Jahrhunderts, ergänzt durch einige Elemente des französischen Orgelbaus. Die Intonation führten Ulrich Schwarzenberg und Christoph Herz durch. Ferdinand Starmann aus Neuenkirchen gestaltete die durchbrochenen Schleierbretter über den Prospektpfeifen.
Die Spielanlage ist mittig in das Orgelgehäuse integriert. Die Registerzüge für Pedal- und Hauptwerk befinden sich auf der linken Seite; rechts sind die Züge für die Schwellwerksregister. Außerdem ist ein Hebel vorhanden, mit dem die Schwellerjalousien per Hand betätigt werden können. Für die Setzeranlage gibt es die Schalter unter dem I. Manual sowie in einer Schublade an der linken Seite der Spielanlage. Die Geschwindigkeit der Tremulanten kann über zwei Regler links neben der Spieltischbeleuchtung geregelt werden.
Im Frühjahr 2022 wurde die Orgel durch die Erbauerfirma gereinigt und grundlegend überholt.
I. HAUPTWERK | C–g³
Bordun 16'
Prinzipal 8'
Hohlflöte 8'
Gedackt 8'
Gambe 8'
Oktave 4'
Koppelflöte 4'
Quinte 2 2/3'
Oktave 2'
Cornett 5f. 8' [ab gº]
Mixtur 4f. 2'
Fagott 16'
Trompete 8'
Clairon 4'
Tremulant
Koppel II–I
II. SCHWELLWERK | C–g³
Gedackt 16'
Geigenprincipal 8'
Rohrflöte 8'
Salicional 8'
Unda maris 8'
Oktave 4'
Spitzflöte 4'
Nasat 2 2/3'
Gemshorn 2'
Terz 1 3/5'
Quinte 1 1/3'
Mixtur 4f. 1 1/3'
Trompete 8'
Hautbois 8'
Tremulant
PEDAL | C–f¹
Prinzipal 16'
Bordun 16' [Tr. I]
Oktavbaß 8'
Gedackt 8' [Tr. I]
Gambe 8' [Tr. I]
Oktavbaß 4'
Koppelflöte 4' [Tr. I]
Quinte 2 2/3' [Tr. I]
Oktave 2' [Tr. I]
Posaune 16'
Fagott 16' [Tr. I]
Trompete 8' [Tr. I]
Clairon 4' [Tr. I]
Koppel II–P
Koppel I–P
Setzeranlage 256fach mit Sequenzern, (abschließbar), Tutti, Pleno, Zungen ab, Fuß- und Handbetätigung für Schweller.
Mechanische Schleiflade mit Doppelregistratur.
D-49434 Neuenkirchen-Vörden | Am Kirchplatz
Quellen und Literatur: Winfried Schlepphorst, Der Orgelbau im westlichen Niedersachsen, Kassel u. a. 1975, S. 131ff ⋄ Die Orgel in der St. Bonifatius-Kirche Neuenkirchen
[Festschrift zur Orgelweihe], Damme 1998 ⋄ Gabriel Isenberg, Orgellandschaft Dammer Berge, Damme 2011, S. 37-42 ⋄ Eigener Befund.
Nr. 374 | Diese Orgel habe ich zum ersten Mal am 14.05.2010 gespielt; sie gehört heute zu meinen vier Dienstinstrumenten, so dass ich hier seitdem bereits unzählige Gottesdienste
und Konzerte gespielt habe.
© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 21.05.2025.
www.orgelsammlung.de
© Dr. Gabriel Isenberg, 2023/25