Orgel: Harm Dieder Kirschner (Weener-Stapelmoor), 2004.
Die romanische Stiepeler Dorfkirche ist eines der ältesten Bau- und Kulturdenkmäler Bochums. Ihr Neubau im 12. Jahrhundert ersetzte einen bereits um 1008 gegründeten Vorgängerbau. Von der romanischen Basilika sind heute noch Turm, Mittel- und Querschiff erhalten. Eine kunstgeschichtliche Besonderheit sind die romanischen Wand- und Deckenmalereien – sie sind in ihrer Vielzahl und Vollständigkeit einmalig in Westfalen, waren fast 250 Jahre übertüncht und wurden 1952 wiederentdeckt und anschließend freigelegt und restauriert. Durch Aufstockung des Turms und Ausbau der Seitenschiffe und des Chors wurde die Basilika 1470–1500 zur Hallenkirche erweitert. Im Zuge der Reformation wurde 1596 der protestantische Gottesdienst eingeführt. In den Jahren 1997 bis 1999 fand eine umfassende Restaurierung der Kirche statt.
Bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts gab es eine Orgel in der Kirche, von der jedoch weder der Erbauer noch genauere Angaben bekannt sind. Dieses Instrument wurde 1710 durch ein neues Instrument des Dortmunder Orgelmachers Johann Georg Alberti ersetzt. Die 12 Register umfassende Orgel war auf der damals vorhandenen Empore vor dem Turm platziert. Größere Reparaturen nahmen Gerhard Nohl (Eckenhagen) 1819 und Heinrich Asmus (Elberfeld) 1861 vor.
1878 wurde das abgängige Instrument durch einen Neubau von Carl Herbst (Dortmund) ersetzt. Auch diese Orgel hatte 12 Register, die aber nun auf zwei Manuale und Pedal verteilt waren. 1926 baute Karl Kluthe (Barmen) einen elektrischen Gebläsemotor ein.
Mit dem Wandel der orgelmusikalischen Ideale wurde die Herbst-Orgel nach dem Zweiten Weltkrieg als nicht mehr zeitgemäß eingestuft und 1952 durch ein neues Orgelwerk aus der Werkstatt Conrad Euler (Hofgeismar) ersetzt. Aufstellungsort war jetzt eine Empore im nördlichen Seitenschiff. Die erneut 12 Register auf zwei Manualen und Pedal boten nun eine erhebliche „steilere“ Disposition als beim Vorgängerinstrument. Von Anfang an zeigten sich erhebliche Mängel an dem Werk, so dass die Orgel nach mehreren größeren Renovierungsmaßnahmen nach nur rund 25 Jahren durch einen Neubau ersetzt werden musste. Diese neue Orgel lieferte 1978 die Potsdamer Orgelbauwerkstatt Alexander Schuke. Das 14 Register große Instrument fand erneut Platz auf der Empore im Seitenschiff. Diese musste jedoch im Zuge der Kirchenrenovierung 1998 abgetragen werden, so dass die Orgelfrage erneut zur Diskussion stand, da eine Aufstellung des Instrument an anderer Stelle der Kirche aus baulichen Gründen nicht infrage kam. Und so wurde die Schuke-Orgel verkauft und ging 2001 an die katholische Kirchengemeinde Costa Nova in Portugal.
Nachdem die Stiepeler Kirchengemeinde bereits 2000 eine Truhenorgel von dem Orgelbauer Harm Dieder Kirschner (Weener-Stapelmoor) angeschafft hatte, wurde ihm nun auch der Auftrag für den Bau einer großen Orgel erteilt. Diese konnte am 30. Oktober 2004 eingeweiht werden. Die Kirschner-Orgel stellt eine Symbiose aus alten und neuen Elementen dar, die in enger Beziehung zur bewegten Geschichte der Stiepeler Dorfkirche stehen. Die klangliche Gestaltung der Orgel ist nach einer Reihe historischer Vorbilder der Küstenregionen Norddeutschlands – also dem Umfeld des Orgelbauers – entstanden. Die Metallpfeifen wurden nach historischen Quellen aus Blei gefertigt, auf Sand gegossen und anschließend gehämmert. Die Windversorgung erfolgt über drei Keilbälge, die sowohl elektrisch als auch mechanisch bedient werden können. Die moderne Prospektgestaltung entwarf der Essener Künstler Michael Stratmann.
Vom Kirchenraum aus ist von der Orgel nur das markante Pfeifenfeld mit dem roten Metall-„Segel“ im Turmbogen zu erkennen. Dahinter ist das weitere Pfeifenwerk aufgestellt. Die Pedalpfeifen stehen außerhalb des Gehäuses an beiden Seiten des Turmraums. Der Spieltisch ist ebenfalls im Turmraum hinter dem Orgelgehäuse aufgestellt; nachteilig sind dadurch der geringe Blickkontakt des Organisten zum Kirchenraum sowie eine zum Kirchenraum abweichende klangliche Klangbalance zwischen den Werken. Umso präziser sind die mechanischen Trakturen. Im Spieltisch sind die Registerzüge links und rechts neben den Manualen angeordnet: links für das Hauptwerk (geordnet nach Registergruppen), rechts für Positiv und Pedal.
I. POSITIV | C–f³
Gedackt 8’
Quer Floit 8’ [ab c¹]
Spitz Floit 4’
Walt Floit 2’
Sesquialter [2f. 1 1/3’]
Vox Humana 8’
II. HAUPTWERK | C–f³
Principal 8’ [ab gisº 2f.]
Hohl Floit 8’
Viola da Gamba 8’
Octav 4’
Nassat 3’
Octav 2’
Mixtur [3–4f. 2’]
Trommet 8’
Tremulant
Koppel I–II
PEDAL | C–f¹
Groß Baß 16’
Principal Baß 8’ [Tr. HW]
Trommet Baß 8’ [Tr. HW]
Koppel II–P
Koppel I–P
Mechanische Schleiflade.
D-44797 Bochum-Stiepel | Brockhauser Straße
Quellen und Literatur: Die Kirschner-Orgel in der Stiepeler Dorfkirche, Festschrift zur Einweihung, Stiepel 2004 ⋄ Eigener Befund.
Nr. 228 | Diese Orgel habe ich am 01.11.2004, kurz nach der Orgelweihe, zum ersten Mal besucht.
© Dr. Gabriel Isenberg | Letzte Änderung: 13.08.2025
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© Dr. Gabriel Isenberg, 2023/25