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Von 1890 bis 1895 wurde die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche am Berliner Kurfürstendamm nach Entwürfen von Franz Heinrich Schwechten gebaut. Der Bau stand unter dem Patronat der Kaiserin Auguste Viktoria. In Anwesenheit des Kaiserpaares wurde am 22. März 1891 der Grundstein gelegt und am 2. September 1895 der Kirchbau geweiht. Im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs wurde die Kirche am 22. November 1943 zerstört. Bereits wenige Monate nach Kriegsende fanden wieder Gottesdienste in der Ruine statt; ihr Symbolwert für das Nachkriegs-Berlin und den Wiederaufbauwillen wuchs schnell. Und so entschloss man sich bald für den Bau einer neuen Gedächtnis-Kirche. Die eindrucksvolle Turmruine blieb erhalten, neben ihr wurde nach dem Entwurf des Architekten Egon Eiermann 1960/61 ein neuer, achteckiger Kirchbau errichtet.
In der alten Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche baute der Frankfurter Orgelbauer Wilhelm Sauer 1895 ein 90 Register großes Werk mit vier Manualen und Pedal. Dieses gewaltige und bekannte Instrument ging 1943 zusammen mit dem Kirchbau im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs unter.
Beim Neubau der Kirche arbeiteten Architekt und Orgelbauer zusammen, so entwarf Eiermann auch die Grundstruktur des asymmetrisch angelegten Orgelprospektes. Als die für den Orgelneubau verantwortliche Firma beauftragte man die Berliner Orgelbauwerkstatt Karl Schuke, die 1962 einen für die relativ geringe Kirchenraum-Größe üppigen Orgelneubau mit 64 Registern auf vier Manualen und Pedal ausführte. Prof. Siegfried Reda (Essen) entwarf die farbige und obertonreiche Disposition.
Bereits 1967 gab es Versuche, die stumpfe Akustik der Kirche durch Veränderungen an der Außenwandstruktur zu verbessern. In Verbindung mit dieser Veränderung wurde die Orgel 1968 durch Karl Schuke gereinigt und die Koppeln wurden elektrifiziert. 1978 führte Schuke eine Reparatur durch und sieben Jahre später (1985) änderte er die Disposition. 1986 wurde eine neue Setzeranlage eingebaut und 1988 wurden die Spanischen Trompeten (übrigens auf Anregung von Eiermann eingebaut) aufgearbeitet und neu intoniert. Eine erneute Überholung fand Anfang 2005 statt. Dabei wurden die Motoren, Klaviaturen und Trakturen erneuert. Außerdem vertauschte man die Manualbelegung von III. und IV. Manual (ursprünglich wurde das Schwellwerk von IV aus angespielt). Im Schwellwerk gibt es nun die beiden Schwebungsregister Viole de Gambe und Voix céleste anstelle von Unda maris 8’ und Spitzgambe 4’. Und eine neue Setzeranlage wurde eingebaut.
Der Prospekt spiegelt streng den Werkaufbau des Inneren wider. Die Spielanlage befindet sich im Orgelfuß und wurde ebenfalls maßgeblich durch Eiermann mitgestaltet. Der Spielschrank ist durch ein bis zum Boden reichendes Rollo komplett zu verschließen, außerdem ist er durch ein Gitter vom übrigen Kirchenraum nach hinten abgetrennt. Neben den vier Manualen ist die schwenkbare Registrieranlage in einem Stahlchassis mit den nach Manualen und Registerfamilien geordneten Registerwippen angebracht. Der Cornettzug im Schwellwerk ist kein eigenständiges Register, sondern schaltet lediglich alle Cornettregister des Werks mit einem Schalter ein. Über Knöpfe unter dem ersten Manual ist die abschließbare Setzeranlage zu bedienen. Die Sequenzer befinden sich sowohl als Pistons links neben den beiden Schwelltritten als auch links und rechts vom unteren Manual. Über Pistons werden ebenfalls die Koppeln und die Einschaltung des Pedalschwellers (Oberlade) bedient. Über dem 4. Manual sind Anzeigen für Setzeranlage und Schweller angebracht. Die Registertraktur ist elektrisch, die Spieltraktur mechanisch. Die Orgel hat Schleifladen.
I. Positiv C – g³ |
II. Hauptwerk C – g³ |
III. Schwellwerk C – g³ |
45 Prinzipal 8’ 51 Rohrflöte 8’ 50 Quintadena 8’ 46 Oktave 4’ 52 Blockflöte 4’ 53 Rohrpfeife 2’ 47 Quinte 11/3’ 54 Sesquialtera 2f. 22/3’ 48 Mixtur 4-6f. 11/3’ 49 Terzcymbel 3f. 1/4’ 55 Fagott 16’ 56 Oboe 8’ 57 Schalmei 4’ 44 Tremulant 43 Koppel III-I |
30 Prinzipal 16’ 31 Oktave 8’ 36 Spielflöte 8’ 32 Oktave 4’ 37 Nachthorn 4’ 38 Rohrnassat 22/3’ 33 Oktave 2’ 33 Mixtur I 6-8f. 2’ 35 Mixtur II 4f. 1’ 39 Trompete 16’ 40 Trompete 8’ 41 Sp. Trompete 8’ 42 Sp. Trompete 4’ 27 Koppel IV-II 28 Koppel III-II 29 Koppel I-II |
4 Ged. Pommer 16’ 2 Schwegel 8’ 5 Koppelfl. 8’ 3 Viole de Gambe 8’ 13 Voix céleste 8’ 6 Holzprinzip. 4’ 7 Hohlquinte 22/3’ 8 Nachthorn 2’ 10 Terz 13/5’ 9 Gemshorn 1’ 12 Cornettzug 14 Fourniture 5-7f. 2’ 11 Rauschpf. 2f. 11/3’ 15 Tromp. harm. 8’ 16 Clairon 4’ 1 Tremulant |
IV. Brustw. (SW) C – g³ |
Pedal C – f¹ |
Spielhilfen |
21 Holzged. 8’ 22 Spitzged. 4’ 19 Prinzipal 2’ 24 Oktave 1’ 23 Terzian 2f. 13/5’ 20 Scharff 3-5f. 1/2’ 25 Vox humana 8’ 26 Krummhorn 8’ 18 Tremulant 17 Koppel IV-III |
67 Prinzipal 16’ 62 Subbaß 16’ 68 Quinte 102/3’ 69 Oktave 8’ 63 Gedackt 8’ 70 Oktave 4’ 65 Hohlflöte 4’ 66 Feldpfeife 1’ 64 Baßsesquialt. 51/3’ 31/5’ 22/7’ 71 Mixtur 3f. 1’ 72 Fagott 32’ 73 Posaune 16’ 74 Trompete 8’ 75 Sp. Trompete 4’ 76 Sp. Cornett 2’ 58 Koppel IV-P 59 Koppel III-P 60 Koppel II-P 61 Koppel I-P |
Elektronische Setzeranlage mit Sequenzern zurück und vor Schweller Pedal-Oberlade |
Berthold Schwarz (Hrsg.), 500 Jahre Orgeln in Berliner evangelischen Kirchen, S. 379-383, 455 (Bd. 2)
© Gabriel Isenberg, 1999 / 2006
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